1991 war die Tour "Luxus", 2011 muss es wohl "Größenwahn" heißen: Ticketpreise ab 60,- aufwärts.
Tim Hoffmann, sehr guter Musik-Redakteur der Freien Presse hat einen passenden Artikel geschrieben:
"Wir basteln uns ein Ereignis
Dass Herbert Grönemeyer 2011 Konzerte gibt, ist sofort eine Meldung wert - doch um 500.000 Karten loszuschlagen, muss es etwas mehr sein
Von Tim Hofmann
Bochum/Warnemünde. Die eigentliche Botschaft lässt sich in zu knappe Worte fassen: Herbert Grönemeyer wird im Frühsommer 2011 in den größten Stadien der Republik wieder Freiluft-Konzerte geben, und ab morgen kann man dafür Karten kaufen. Zuvor veröffentlicht er eine neue CD, zu der noch nichts Näheres bekannt gegeben wird. Dieser Kern der Botschaft gibt eine gute Meldung ab - nur ist die ja wohl allen Beteiligten irgendwie zu kurz.
"Gröni" muss viele Tickets losschlagen, das Konzertgeschäft ist selbst für ihn kein Selbstläufer mehr: Der Live-Sektor ist hart umkämpft. Dass Grönemeyer sehr viele Besucher ziehen wird, steht außer Frage. Es müssen aber eben auch genug sein, eine halbe Million und mehr. Die Medien wollen das Thema Grönemeyer auch nicht unbedingt zu knapp abhandeln: Höher kann der leseanreizende Promifaktor ja kaum sein. Und nicht zuletzt gieren auch die Fans nach möglichst viel Herbert.
Was also tun, wenn es denn doch nichts weiter zu berichten gibt außer elf Konzert-Terminen? Für solche Fälle hat sich die Unterhaltungsbranche einen simplen Mechanismus ausgedacht, der in seiner Wirksamkeit verblüfft: die Pressekonferenz. Eigentlich wird dort nichts vermittelt, was man nicht auch mit großer Schrift auf ein A4-Blatt schreiben könnte. Doch sie macht: Eindruck.
Herbert Grönemeyer lud also extra ins noble Hotel "Yachthafenresidenz" am Strand von Warnemünde. Die Einladungs-Mail enthielt ein Sprachsample des Sängers, in dem er die Journalisten "persönlich" einlud: "Ich würde mich wirklich ganz sehr freuen, wenn Sie kommen würden", sagte die elektronische Post mit Herberts Stimme.
Nun sind Journalisten sich natürlich bewusst, wozu sie eingespannt werden sollen. Da zündet die zweite Stufe: Die versammelte Journaille wird ab Berlin und Hamburg mit schwarzen VIP-Shuttlebussen nach Warnemünde (!) gekarrt - es könnte, so lockt man, überraschende Neuigkeiten geben. Dass Grönemeyer sich 2010 bislang Interview-Anfragen verweigert hat, macht zusätzlich Druck im Kessel. Im Hotel gibt es dann erst einmal ein Edel-Buffet als Teil der bizarren Inszenierung: Die Einwickler wissen, dass die Einzuwickelnden wissen, dass sie eingewickelt werden sollen. Die wiederum lassen sich deswegen nur schwer einwickeln - und wissen, dass die Einwickler das auch wissen. Weil diese es aber trotzdem versuchen, ist der Biss ins Schnittchen also irgendwie nicht wirklich kompromittierend. Oder? Außerdem hat die Redaktion zu Hause ja schon geplant: Gröni geht immer!
Dann kommt Grönemeyer und lässt sich knipsen. Nach wenigen Minuten weist man die Fotografen lässig-großmütig in die Schranken: "So, jetzt ist wieder gut, Sie hatten genug Gelegenheit", wimmelt Moderator Michael Steinbrecher ab. Dann darf gefragt werden - und weil jeder weiß, dass es keine Antworten gibt, liest Steinbrecher Fan-Fragen vor. Die Antworten darauf verbreiten die anwesenden Profis bereits seit Jahren: Grönemeyer schreibt nicht gern Texte und tut es immer erst auf den letzten Drücker, und über seine Tanzkünste ist auch längst alles gesagt und gekalauert und selbstironisch reflektiert worden. Er ist als Mensch sympathisch, gerade weil er sich privat so zurückzieht - und deswegen nimmt ihm auch niemand übel, dass das sympathische Äußere für die Öffentlichkeit gespielt wirkt. Was man wiederum auch nicht kritisieren kann, weil Grönemeyer es offen zugibt. Interessanter wäre, was über die neue Platte zu erfahren. Nur dazu will der Meister eben nur sagen, dass sie "heftiger und elektronischer" werden wird. Was man verstehen kann: Es ist ja cool, dass er nicht über ungelegte Eier gackert. Und es ist angenehm, ihm beim Anekdotenplaudern zuzuhören - auch wenn man sie schon kennt. Irgendwie ist man also doch eingewickelt, als man zur Rückfahrt in den VIP-Bus-Ledersessel plumpst. Aber: Man ist sich dessen bewusst! Fakten? Hat man immer noch keine. Aber wenigstens Text."
(FP vom 08.10.2010)