Hi Leute, in der Su-Fu hab ich zu dem Song noch nichts gefunden, also dachte ich mir, passend zum Sommerloch gebe ich meinem geistigen Dünnschiss eine neue Plattform. "Tier", der 7. Track auf Auswärtsspiel ist in meinen Augen ein sehr unterschätztes Stück, wirkt wegen seiner Kürze womöglich auch wie ein Füll-Song, allerdings finde ich den Text einfach nur stark.
Ich denke, es dürfte relativ klar sein, dass im Song nicht zwingend das Leben aus der Sicht eines Zootiers thematisiert wird, sondern auch der Käfig gemeint sein kann, in dem wir alle uns täglich befinden. Der Käfig der modernen Gesellschaft.
"Niemand sperrt die Gitter auf, sie stecken fest im Kopf.
Die Schlüssel passen lang' nicht mehr auf das alte Schloss."
Die Gitter im Kopf könnten Meinungen und Regeln sein, nach denen man sich zu verhalten hat. Schließlich werden Querdenker meist als Wirrköpfe, Verschwörungstheoretiker oder einfach als Terroristen abgetan. Wer zu vieles anders sieht als die Mehrheit, spürt die Fesseln beziehungsweise die Gitterstäbe und merkt auch, auf welch engem Feld man eingezäunt wurde.
"Und draußen vor dem Käfig, kann man die Sieger seh'n,
wie sie gelangweilt durch die Gegend stieren und vorüber geh'n."
Die Sieger, die die Meinung machen und die Regeln diktieren. Diejenigen, die das System bestimmen und sich doch außerhalb davon befinden.
"Laufen, laufen, laufen, immer wieder hin und her,
stumm und voller Ungeduld, die für immer brennen wird."
Diese erste Textzeile könnte man als das Bewusstsein bezeichnen, stetig seine Leistung bringen zu müssen, ohne den Mund aufzumachen und ohne je an den Punkt zu kommen, an dem man endlich zufrieden ist und alles als gerecht empfindet.
"In freier Wildbahn hätte man leichtes Spiel, ein Sprung und alles wär klar,
doch der Wunsch auf Rache bleibt unerfüllt und man nimmt ihn mit ins Grab."
Wirkt für mich ein Stück weit wie der Gedanke/die Aussage: "Wär ich mit dem mal zehn Minuten allein in einem Zimmer und könnte dem meine Meinung mal so richtig sagen..." Oft fühlt man sich den Leuten überlegen, die einem vorschreiben, was richtig und was falsch ist, kann sich aber nicht auflehnen, weil der Käfig einen davon abhält. Nur die wenigsten können aus dem Käfig ausbrechen und noch weniger davon werden hinterher nicht gejagt und zur Strecke gebracht. Edward Snowden ist für mich so ein Beispiel für jemanden, der seinen Käfig verlassen hat und nun von seinem Wärter unerbittlich gejagt wird.
Interessant ist es auch, den Song mit dem Cover "Sonntag im Zoo" zu vergleichen. Einer der Songs ist aus Sicht des Besuchers geschrieben, der andere aus Sicht des Tieres. Und doch sind beide die Gefangenen. Der Besucher zahlt den Eintritt, um sich unterhalten zu lassen und auch mal der Sieger zu sein, der er im wirklichen Leben außerhalb des Zoos nicht ist.
Für mich ein wirklich gutes Stück Musik, passt hervorragend ins Gesamtbild der Auswärtsspiel und fiel mir in seiner kompletten Genialität erst wesentlich später auf, als so manch anderes starkes Lied von dem Album.