Hier ein Bericht aus der Schwäbischen Zeitung, Breiti erzählt auch ein wenig dazu. Könnte man fast auch in den Onkelz-Thread stellen, nachdem was sie unten über die "Rock trifft Klassik" Projekte schreiben.
Ravensburg / sz Ein ungewöhnliches Projekt: Punkrocker führen mit einem klassischen Sinfonieorchester „Entartete Musik“ auf. So geschehen im Herbst 2013, als die Toten Hosen zusammen mit dem Sinfonieorchester der Düsseldorfer Robert Schumann Hochschule drei Konzerte gaben mit Werken von Komponisten, die im „Dritten Reich“ verfemt, verfolgt, ermordet worden waren. Zwei Jahre nach den Gedenkkonzerten unter dem Titel „Willkommen in Deutschland“ erscheint am 30.Oktober auf CD, Vinyl und DVD die bemerkenswerte Dokumentation der Abende in der Tonhalle Düsseldorf.
Unter dem Sammelbegriff „entartet“ diffamierten die Nazis in der Musik wie in der Bildenden Kunst unterschiedliche Stücke und Stilrichtungen, die sie für „undeutsch“ hielten. So wurden vor allem Werke der Moderne, jüdische Musik, aber auch der als „Negermusik“ verunglimpfte Jazz gebrandmarkt.
Das Leichte und das Schwere
Zu hören und zu sehen gibt es deshalb auf „Willkommen in Deutschland“ ein höchst heterogenes Programm. Monumentale Filmmusik wie „The Sea Hawk Suite“, die Erich Wolfgang Korngold 1940 im Exil in Hollywood schrieb, steht neben Kompositionen Kurt Weills, die Hosen-Frontmann Campino bereits als Mackie Messer unter Klaus Maria Brandauer in der „Dreigroschenoper“ gesungen hat. Zu hören sind die ergreifenden Stücke aus der im Konzentrationslager Theresienstadt uraufgeführten Kinderoper Brundibár. Komponiert hat sie Hans Krása. Er wurde in der Gaskammer ermordet. Es erklingen aber auch die luftig-leichten Songs der Comedian Harmonists oder das freche „Einen großen Nazi hat sie“ von Fritz Grünbaum. Auch er hat seinen Spott mit dem Leben bezahlt. Er starb im KZ Dachau. Einer der dramatischen Höhepunkte ist Arnold Schönbergs „Ein Überlebender aus Warschau“, in dem Campino als Sprechsänger überzeugt.
Doch am Anfang war der Zweifel. Als Thomas Leander, Prorektor der Robert Schumann Hochschule, den Toten Hosen die Idee des Gedenkkonzerts vorstellte, war die Band unsicher. „Die Idee hat uns begeistert“, sagt Gitarrist Michael „Breiti“ Breitkopf im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Aber wir haben uns anfangs gefragt, ob wir etwas Wesentliches zu einem solchen Abend beisteuern können.“ Schließlich stammen die gealterten Punkrocker und die jungen Sinfoniker – wie deren Dirigent Rüdiger Bohn befindet – musikalisch „von verschiedenen Planeten“. Michael Breitkopf bringt es trocken auf den Punkt: „Noch mal neu ab Takt 62 und dann mehr im Adagio – da haben wir keine Ahnung, was gemeint ist.“
Dass die Band sich dann aber doch sehr schnell dazu entschieden hat, das Projekt zu unterstützen und ihm mit ihrer Popularität Gehör zu verschaffen, liegt daran, dass alle Beteiligten die zentrale Motivation teilten und teilen: „Es geht um ein Bekenntnis zu kultureller Vielfalt und darum, die Erinnerung an großartige Musiker und Komponisten wachzuhalten“, sagt Michael Breitkopf. Die Nationalsozialisten wollten die Künstler und ihre Werke vernichten. „Deshalb ist es jedes Mal, wenn diese großartige Musik zu hören ist, eine immer neue Niederlage für die Nazis.“ Und deshalb ließen sich die Toten Hosen auf das Wagnis ein, zusammen mit den klassischen Musikern der Robert Schumann Hochschule an nur fünf Probentagen ein abendfüllendes Programm auf die Beine zu stellen.
Das ist aber kein Album im Stil eines dieser „Rock trifft Klassik“-Projekte, bei dem eine Band ihre größten Hits mit halbem Tempo spielt, während im Hintergrund Streicher und Bläser ein scheinbar unendliches Legato intonieren. Dirigent Rüdiger Bohn und der von den Toten Hosen seit vielen Jahren geschätzte Arrangeur Hans Steingen haben es im Gegenteil sehr gut verstanden, Orchester und Band aufeinander abzustimmen und so miteinander zu verzahnen, dass sowohl die klassisch ausgebildeten Orchestermusiker als auch die Autodidakten um Campino die jeweils eigenen Stärken authentisch einbringen konnten.
Zeichen gegen Rassismus
Auch einige Lieder der Toten Hosen haben Eingang in das Programm gefunden. Eigens für die Gedenkkonzerte neu arrangiert und von den eingefleischten Hosen-Fans im bunt gemischten Publikum euphorisch bejubelt, tragen Songs wie „Sascha, ein aufrechter Deutscher“ oder das Titellied „Willkommen in Deutschland“ dazu bei, dass nicht Pathos oder Beklommenheit dominieren, sondern am Ende ein lebendiges und kraftvolles Zeichen gegen Ausgrenzung und Rassismus gesetzt wird. „Da darf man auch nicht nachlassen“, sagt Michael Breitkopf. „Denn leider ist es so, dass der Text von ,Willkommen in Deutschland’ heute wieder gerade so aktuell ist wie an dem Tag, an dem wir das Lied geschrieben haben.“ In dem Lied von 1993 wenden sich die Toten Hosen direkt an den Zuhörer: „Es ist auch dein Land, steh auf und hilf, dass blinder Hass es nicht zerstört.“
Das Album „Das Sinfonieorchester der Robert Schumann Hochschule & Die Toten Hosen spielen ,Entartete Musik’“: Willkommen in Deutschland – ein Gedenkkonzert“ erscheint am 30.10. als Doppel-CD + Bonus DVD via JKP/Warner.