"Alles passiert" mochte ich quasi auf den ersten Blick.
Ich bin aber auch sehr anfällig für derlei Schnulzen und ich habe großen Respekt davor, so eingängige Melodien zu schreiben, bei der für mich jede Tonwendung perfekt passt. Und neu ist das bei den Hosen ja nicht. Das großartige "Freitag der 13." war doch nicht weniger Schlager'esk.
Ich attestiere dem Song aber, dass er sehrwohl überambitioniert ist. Ich höre da den etwas übermotivierten Willen heraus, auf Teufel komm raus starke Metaphern zu finden, um das zu umschreiben, was jeder Musiker im Allgemeinen und Campino im Speziellen zu diesem Thema bereits anders gesagt hat. "Der letzte Sand fällt durch die Uhr", "Wir gehen von der Bühne/Es gibt keinen Applaus", "Und zwischen uns ein breiter Fluss" - das sind nur einige Beispiele für weniger gelungene Beispiele für gewollte Blockbuster-Umschreibungen. Da sind in "Urknall" deutlich stärkere Formulierungen am Start,
Man muss sich aber die Mühe machen und ein bisschen den oberflächlichen Lack abkratzen, dann kommen doch ein paar schöne Zeilen zum Vorschein: "Ein Augenblick ganz ohne Glanz", "Und die Liebe dreht sich weg/Sie schmeißt uns einfach raus" (wobei mir streng genommen die Formulierung zu passiv ist, man schmeißt die Liebe selber raus - aber nur streng genommen und nicht zuletzt das herzergreifende "Ich wach nachts auf und denk an dich/Und weiß genau, du denkst auch an mich", das in Kombination mit der aufsteigenden Musik für mich zu einem der stärksten Hosen-Momenten überhaupt gehört. Aber gerade in der Zeile zeigt sich: Campino ist dann am stärksten, wenn er das Kind beim Namen nennt. Wie in "Alles mit nach Hause", wie in "All die ganzen Jahre", um nur zwei Beispiele zu nennen. Schade daran ist, dass Campino offensichtlich nicht mehr auf die Qualität der eigenen Sprache vertraut. Aber vielleicht kann man das nur nachvollziehen, wenn man so viele Songs wie er geschrieben hat, ich weiß es nicht.
Letztlich aber finde ich "Alles passiert" eben in der Konsequenz, sowohl Musik als auch Text für Hollywood zu "verfilmen" schlüssig. Greift ineinander. Muss man nicht mögen, verstehe ich, ich mag es jedenfalls sehr.
Was die Auskopplung an sich betrifft: Mir ist das relativ wurscht, was als Single rauskommt. War für mich schon immer nur ein spannendes Add-On mit neuen Songs, die es zu entdecken galt. Deshalb bin ich dieses Mal auch enttäuscht. Aber die Single an sich? Klar fände ich es toll, wenn sie "Urknall" oder "Alles mit nach Hause" ausgekoppelt hätten. Das hätte MIR gefallen und würde es sicher leichter machen, die Hosen anno 2017 mit Verve zu verteidigen. Aber ich verteidige die Hosen gefühlt seit "Alles aus Liebe" und der gesamten "Kauf mich!", mir ist das egal. Für mich haben sich die Hosen mit "Laune der Natur" noch mal ein Stück weit neu erfunden, was ich nach der "Ballast" nicht mehr erwartet hätte. Die Singles sind eh für die Menschen gedacht, die die Hosen noch nicht erreicht haben. Und wenn man mal die Facebook-Kommentare unter den Posts zu "Alles passiert" liest, dann scheinen die Hosen da zumindest viele Erwartungen erfülllt zu haben.