Ich denke auch, dass, wer behauptet, sich völlig frei von Schubladendenken oder Vorurteilen machen zu können, scheinheilig ist. Man hat auch als aufgeklärter, toleranter Mensch immer wieder Impulse, die da konträr laufen. Da gibt es in der Linken leider in der Tat oft Ansätze, in denen einfach Utopien mit der vermeintlichen Wirklichkeit vermischt werden und das wirkt dann schnell abgehoben oder sogar lächerlich.
Das Bewusstsein ist in meinen Augen entscheidend, also praktisch gesprochen, diesen Impulsen der Kategorisierung möglichst nicht nachzugeben. Insbesondere natürlich bei rassistischen, sexistischen oder sonstwie diskriminierenden Stereotypen.
Wenn ich allerdings jemanden aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Subkultur oder Berufsgruppe ein Stück weit kategorisiere, finde ich das durchaus im Rahmen des Vertretbaren. Auch da gilt natürlich, dass man nicht jede zugeschriebene Eigenschaft auf die Gesamtheit extrapolieren kann, aber jemand, der sich bewusst dafür entscheidet, sich einer Subkultur anzuschließen, wird wohl auch einige der Eigenschaften, die der jeweiligen Subkultur zugeschrieben werden, auf sich beziehen.
Jemanden für etwas, dass er/sie durch Geburt bzw. ohne eigenes Zutun ist, in eine Schublade zu stecken, ist mindestens zweifelhaft, auch wenn man selbst vielleicht immer mal wieder Ansätze dafür verspüren mag; jemanden aber nach seinen Entscheidungen zu beurteilen (und dazu gehören auch Dinge wie die Berufswahl), ist grundsätzlich nicht falsch. Aber auch da gilt: das Gesamtbild ist entscheidend. Vielleicht mach der Investmentbanker von nebenan ja in seiner Freizeit irgendwas hochgradig Soziales...