Vorurteile - nützlich oder schlecht?

  • Ich denke auch, dass, wer behauptet, sich völlig frei von Schubladendenken oder Vorurteilen machen zu können, scheinheilig ist. Man hat auch als aufgeklärter, toleranter Mensch immer wieder Impulse, die da konträr laufen. Da gibt es in der Linken leider in der Tat oft Ansätze, in denen einfach Utopien mit der vermeintlichen Wirklichkeit vermischt werden und das wirkt dann schnell abgehoben oder sogar lächerlich.


    Das Bewusstsein ist in meinen Augen entscheidend, also praktisch gesprochen, diesen Impulsen der Kategorisierung möglichst nicht nachzugeben. Insbesondere natürlich bei rassistischen, sexistischen oder sonstwie diskriminierenden Stereotypen.
    Wenn ich allerdings jemanden aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Subkultur oder Berufsgruppe ein Stück weit kategorisiere, finde ich das durchaus im Rahmen des Vertretbaren. Auch da gilt natürlich, dass man nicht jede zugeschriebene Eigenschaft auf die Gesamtheit extrapolieren kann, aber jemand, der sich bewusst dafür entscheidet, sich einer Subkultur anzuschließen, wird wohl auch einige der Eigenschaften, die der jeweiligen Subkultur zugeschrieben werden, auf sich beziehen.


    Jemanden für etwas, dass er/sie durch Geburt bzw. ohne eigenes Zutun ist, in eine Schublade zu stecken, ist mindestens zweifelhaft, auch wenn man selbst vielleicht immer mal wieder Ansätze dafür verspüren mag; jemanden aber nach seinen Entscheidungen zu beurteilen (und dazu gehören auch Dinge wie die Berufswahl), ist grundsätzlich nicht falsch. Aber auch da gilt: das Gesamtbild ist entscheidend. Vielleicht mach der Investmentbanker von nebenan ja in seiner Freizeit irgendwas hochgradig Soziales... ;)

    Es hat sich vieles getan, auf Dosenbier gibt es jetzt Pfand,
    aber die meisten von uns leben noch, das war nicht immer so geplant.
    (Koyaanisqatsi)

    Einmal editiert, zuletzt von DTH_HB_86 ()

  • Danke, DTH HB 86, das fasst meine Ansicht eigentlich perfekt zusammen.
    Die in "Lesbische, schwarze Behinderte" besungenen "Randgruppen" sind aber allesamt so geboren (ja okay, eine Behinderung kann auch später im Leben auftreten, aber in 99,99% der Fälle kann der Betroffene wenig bis gar nichts dafür) und exakt um diese Kategorisierungen ging es mir. Solche Schubladen versuche ich bewusst zu vermeiden.


    Punks und Polizisten, von denen ich jeweils schon beides erlebt habe, unglaublich faschistoide wie auch wunderbar soziale Vertreter, sind da aber schon die nächste Stufe, weil man sich bewusst für den Beruf/die Szene entscheidet.


    "Es sind nicht unsere Fähigkeiten, die uns zu dem machen, der wir sind, sondern unsere Entscheidungen." - Albus Dumbledore :D

    Wir sind übrig.


  • "Es sind nicht unsere Fähigkeiten, die uns zu dem machen, der wir sind, sondern unsere Entscheidungen." - Albus Dumbledore :D

    "Leben ist die Summe all unserer Entscheidungen." -Albert Camus ;)


    Ersetze "Leben" durch "Persönlichkeit" und wir haben die Vorlage für Frau Rowling, ohne den Sinn des Originals entfremden zu müssen :D

    Es hat sich vieles getan, auf Dosenbier gibt es jetzt Pfand,
    aber die meisten von uns leben noch, das war nicht immer so geplant.
    (Koyaanisqatsi)

  • Die spannende Frage, die ich hier sehe, ist wie genau man ein Vorurteil eigentlich definieren kann.
    Begegne ich in Wyoming einer Gruppe arabischer Männer auf der Straße, löst das eine andere Reaktion (bzw. eigentlich überhaupt keine) aus, als wenn das nachts im Wedding, Moabit oder Neukölln passiert.


    Ein pauschales Vorurteil gegenüber Arabern ist es also nicht - ich hab auch arabische Freunde und die meisten Araber mit denen ich international zu tun hatte, hatten mit den Abou-Chakers wenig gemein. Ausgehend von studentischen und besonders linken Gruppierungen mache ich mich ja schon damit schuldig, mir im Kopf empirisch auszurechnen wer in Berlin im großen Stil die Handys klaut, die Überfälle macht, die Obdachlosen anzündet oder Leute von hinten die Bahnhofstreppe herunter tritt. Das heißt nicht, dass jeder Araber das tut, oder dass ich deswegen jeden unter Generalverdacht stelle. Aber natürlich ist das eine Form von Profiling.


    Wer davon frei ist, soll doch mit gutem Gewissen mit nem Iro an so ner schönen Koserower Nazikarre vorbeilaufen. Nur weil die den Schädel rasiert haben und Landser hören, darf man doch keine Rückschlüsse ziehen...


    Und ja, Araber beschreibt in diesem Zusammenhang natürlich die Abstammung und nicht unbedingt die Staatsangehörigkeit, bevor mir jetzt wieder einer die Kriminalstatisik zitiert ;)


    Im Gegenzug gibt es einen bestimmten Typus von Mensch, der bei mir in den USA die Alarmsignale losschrillen lässt, weil die Gefahr besteht, dass er gleich ein AK-47 zieht. Dieser Typus ist ziemlich weiß und männlich. Scheiß Vorurteile.

  • Hach, herrlich Ich fühle mich wie im Soziologie Grundstudium hier. :D


    Ich lebe wunderbar mit meinen Vorurteilen, pflege und erweitere sie. Sie machen mir mein Leben einfacher. Ich trage sie aber auch nicht dogmatisch vor mir her, sondern lasse mich gerne überraschen.



    Am letzten Sonntag habe ich beim örtlichen Karnevalsumzug festgestellt, dass das Publikum längst nicht so asi war, wie ich es in Erinnerung hatte. Es gab um mich herum keine wild um sich schlagenden Erwachsenen, die kleinen Kindern die Kamelle klauen wollten.
    Bei zwei Wagen am Ende relativierte sich das Bild. Um die beiden Wagen, die besonders viele und große Sachen geworfen haben, liefen mehrere Personen herum und folgten den Wagen. Sie sprachen die am Rand stehenden Zuschauer an, dass sie ihnen die gefangenen Sachen abgeben sollten und schubsten brutal, wenn es etwas zu ergattern gab.


    Die Gruppe der rabiat vorgehenden Personen hatten übereinstimmende/gemeinsame (äußerliche) Merkmale.


    Welche warten es?

    NEIN :!:

  • Ich denke auch, dass Vorurteile als solche generell zu schnell negativ bewertet werden. Vorurteile helfen zu selektieren: Menschen und Tätigkeiten. Man kann nicht alles und jeden mögen, das wäre anstrengend. Es tut gut, Dinge von vornherein unbegründet abzulehnen. Das schafft notwendige Freiräume.


    Man sollte nur eben offen sein, im Zweifelsfall mit seinen eigenen möglicher Weise falschen Ansichten aufzuräumen.

    36 (+2)
    Narf.

  • bist du auch so ein existenzialist? camus fand/finde ich großartig!

    Habe mich mit Camus (noch?) nicht intensiver auseinandergesetzt, aber das Zitat aus Harry Potter, dass Bayernfahne da bemühte, erschien mir einfach zu eindeutig abgekupfert ;)
    Da ich aber Sartre durchaus was abgewinnen kann ("Das Spiel ist aus" ist möglicherweise das großartigste Buch, das ich je gelesen habe, "Geschlossene Geselschaft" natürlich auch ein absoluter Klassiker...), ist das mit dem Existenzialismus vermutlich nicht so weit hergeholt.

    Es hat sich vieles getan, auf Dosenbier gibt es jetzt Pfand,
    aber die meisten von uns leben noch, das war nicht immer so geplant.
    (Koyaanisqatsi)

  • Meinst Du mich oder die übereinstimmenden/gemeinsamen (äußerlichen) Merkmale der rabiat vorgehenden Personengruppe beim Karneval?



    Habe gerade mal nachgerechnet. Ich bin laut BMI-Rechner im Normalgewicht mit 188cm/88 kg.
    Meine Verhaltensauffälligen müssen einen anderen Ursprung als meine Adipositas haben.

    NEIN :!:

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