Finde die CD bei jedem Durchgang besser und frage mich mittlerweile, warum ich sie beim ersten mal nicht als 100% Onkelz-typisch empfunden habe - denn das ist sie. Ich finde sie auch nicht so Der W-affin wie von allen Seiten empfunden - grad die hervorragende Gitarrenarbeit Gonzos lässt darauf schliessen, dass er sich gut in die Songs einbringen konnte.
Kritikpunkt ist nach wie vor, dass einige Texte etwas platt sind. Aber zum Glück nicht alle. Ebenfalls hätte man die Scheibe etwas besser mixen können, vorallem Pes Drums kommen schlecht weg. Auch fand ich Kevin eindrücklicher auf seiner Veritas Maximus-Platte als auf "Memento".
Meine Favoriten:
"Der Junge mit dem Schwefelholz":
Nach meinem "How the Gods kill"-Desaster weiss ich nun auch mit Sicherheit, warum mir der Song auf Anhieb gefiel! Danzig ist seit zweieinhalb Jahrzehnten eine Lieblingsband von mir! Wunderbar musikalisch gestaltet, interessante - und wohl wahre - Story. Der Song hat eine grossartige Progression, baut sich auf und entlädt sich im melodischen Refrain - das Thema ist perfekt vertont. Grossartiger Track.. Auch wenn ich immer noch "intregriert" verstehe :D!
"Gott hat ein Problem":
Eine Granate!! Zumindest musikalisch - der beste Onkelz-Opener Seit vielen Scheiben! Würde sogar sagen der beste seit "10 Jahre" von 1990. Das Ding brettert ohne Ende - ohne offensichtlich ein Brett sein zu wollen. Musikalisch vielschichtig - Gonzo mit einem überragenden Gitarrensolo; erinnert an seine Taten der 80er auf "Onkelz wie wir" und "Kneipenterroristen". Ich liebe es. Der Refrain ist episch-hymnisch. Melancholisch aber dennoch selbstsicher.
Textlich halt eine Null, aber ich denke das ist beabsichtigt - es hiess ja, dass da das Phrasenschwein bedient wird. Dennoch bei weitem nicht so schlimm wie andere Onkelz-Lieder dieser Art.
"Es ist sinnlos mit sich selbst zu spassen":
Ein klassischer Onkelz-Song der neueren Machart. Wunderbar komponiert. Auch hier wieder sehr ausgereifte Gitarrenarbeit seitens Gonzo. Ich mag den Kerl nicht sonderlich, aber er spielt fantastisch. Der Song wuchs bei mir mit der Zeit, da er relativ vielschichtig ist und auf einen Vorzeigerefrain verzichtet - dafür wird das Thema der gestörten Psyche, eines psychisch Kraken - vielleicht Schizophrenie - musikalisch perfekt umrahmt und eingefangen. Irgendwie fies, irgendwie melancholisch. Grad der "..die Stimme im Kopf, die vorgibt Du zu sein.."-Part ist traurig-schön. Gut getextet! Perfekt.
"Markt und Moral":
Hier geht man streckenweise musikalisch zurück in's Jahr 1993 - "Schwarz/Weiss". Kombiniert mit "Dopamin". Dazu ein ziemlich guter Text diesmal, wirklich. Der Song hat zwar keinen sonderlich ausgetüftelten Refrain - braucht es aber nicht, da die Komposition als Ganze sehr dicht ist. Das Thema Kapitalismus und dessen Beschiss wird gut eingefangen.
"Wo auch immer wir stehen":
Weiss nicht was hier alle haben - mir gefällt der Song. Eine klassische Onkelz-Powerballade in alter Tradition. Ein bisschen "Koma", ein bisschen "Nichts ist für die Ewigkeit" (ein bisschen "A world without heroes" von KISS) - passt. Der Text ist interpretierbar - der Onkelz-Proll wird wieder die Bezeihung zwischen Band und Fan fokussieren. Vielleicht ist es aber auch nur ein Liebeslied? Wenn dem so ist, und so verstehe ich es, dann ist es einfach ein zwar nicht sonderlich tiefgründiger, jedoch wahrer Text. Einen Augenblick habe ich sogar daran gedacht, ob es von dier Bezeihung zwischen Kevin und Stephan handelt.. aber ich denke, das ist etwas weit her geholt!
Musikalisch ist das schön gemacht - der sanfte, mehrstimmig vorgetragene Refrain bettet sich wunderbar in das melancholische Gefüge ein. Auch wieder Gozos Solo; einfach schön. Könnte live leider "in die Hose" gehen; Vollhonk und Bänker liegen sich besoffen in den Armen und gröhlen den Song mit, kommen sich stark vor. Widerlich!
"Nach allen Regeln der Sucht":
Ein Song mit dieser Thematik musste ja kommen. Allerdings wird hier die Tränendrüse zum Glück nicht auf Teufel komm raus bedient! Im Gegenteil: Der Text ist komplex genug formuliert, lässt tief in das Leben eines Suchtkranken blicken, den inneren Kämpfen und der Zerrissenheit. Scham, Reue, Angst, Selbsthass, Gefahr... Musikalisch bei mir am Anfang unauffällig - auch hier ein klassischer Grower, der grösser und grösser wird! Gonzo wieder mit einem schönen, passenden Solo, das Songdienlich angelegt ist.
Die restlichen Songs sind gute Onkelz-Kost. Fallen gegenüber alten Alben nicht ab..
Einzig "Auf die Freundschaft" finde ich richtig zum kotzen. Zwar ist das musikalisch typisch Onkelz, wohl am meisten "Onklez" der Tracks - allerdings ist das textlich ein dermassen widerlicher Tiefflieger, da könnte ich kotzen. Die oberflächlich-dumme Verbrüderung mit ihren "Fanz", darunter auch Nazipack, stösst mir sauer auf. Sowas kann ich nicht haben.. Ich finde auch "Auf gute Freunde" und das anbiedernde "Danke" richtig, richtig schlecht. Songs, die die Welt nicht braucht.
Für mich die beste Onkelz-Scheibe seit "Viva los Tioz" und auch besser als "EINS" und "Hier sind die Onkelz - also wenn man die brillante "Viva los Tioz" ausklammert, ist das die beste, komplexeste Arbeit der Onkelz seit "Schwarz/Weiss". Sicher kein liebloses Comeback, sicher nicht schnell hingeschissen und schon gar nicht auf "Nummer-sicher" gemacht. Da die CD einige Durchläufe braucht, zeigt mir das, dass man eben nicht vordergründig grosse Hymnen schreiben wollte - sowas wäre einfach und oberflächlich. Man geht tief rein und agiert musikalisch auf einem verhältnismässig hohen Niveau!