Am frühen Morgen wurde das Sommercamp der Linksjugend [´solid] am Neuenhainer See von Schlägern überfallen. Eine 13-jährige Teilnehmerin erlitt schwere Kopfverletzungen. Am Vortag hatte die Jugendorganisation eine Demonstration gegen Rechts in Schwalmstadt-Treysa veranstaltet, an der mehr als 200 überwiegend junge Menschen teilgenommen hatten. Bereits am Rande der Demonstration hatten Anhänger der "Freien Kräfte Schwalm-Eder" vereinzelte Teilnehmer provoziert und einen Zugriff durch die Polizei erzwungen.
Zur Demonstration am Samstag in Schwalmstadt-Treysa waren über 200 (gezählt) zumeist junge Menschen angereist, um in der nordhessischen Provinz ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und Neofaschismus zu setzen. Bei gutem Wetter und in fröhlicher Stimmung versammelten sich die Teilnehmer um 16.00 Uhr am Marktplatz. Begleitet von der Polizei bewegte sich der bunte Demonstrationszug mit Transparenten, Fahnen, einem Lautsprecherwagen und Redebeiträgen durch die Altstadt. Neben SchülerInnen, StudentInnen, AntifaschistInnen und gut gelaunten Punks nahmen auch Vetreter verschiedener Parteien an der Veranstaltung teil. Sie zeigten sich überrascht und gleichermaßen erfreut über die eindrucksvolle Versammlung.
Was die meisten Demonstrationsteilnehmer nicht bemerkten: in dem Café direkt am Marktplatz hatte es sich längst ein Anhänger der extremen Rechten gemütlich gemacht. Im Schatten unter dem Sonnendach beobachtete der junge Mann aufmerksam die Versammlung und telefonierte dabei mit dem handy. AntifaschistInnen konnten den Beobachter aber entlarven. Kaum dass sich die letzten Reihen des Demonstrationszuges vom Marktplatz entfernten, tauchte auch sogleich einer der Köpfe der "Freien Kräfte Schwalm-Eder" am Café auf. [Name bekannt] wurde dabei von weiteren Anhängern begleitet, die sich am Café versammelten. In der Folge muss es dann zu einer Provokation gekommen sein, die in Gewalt umschlug und einen Einsatz der Polizei erforderte. Die Faschisten haben sich nicht aus reiner Neugier so gut organisiert und abgesprochen am Marktplatz eingefunden. Sie dürften mit der Gewaltaktion bereits ein Minimalziel erreicht haben, nämlich das Bild einer friedlichen Demo gegen Rechts zu beschädigen.
Am frühen Morgen des 20. Juli 2008 verübten rechtsextreme Schläger einen Überfall auf das Sommercamp der Jugendorganisation ['solid] am Campingplatz Neuenhainer See. Nachdem zwei vermummte Personen über den Zaun auf das Gelände eingedrungen waren, traten sie von außen auf das nächstgelegene Zelt ein, öffneten es und schlugen auf die noch Schlafenden mit massiven Gegenständen ein. Eine 13-jährige Campteilnehmerin musste daraufhin im Krankenhaus behandelt werden, ein weiterer Teilnehmer ist am Kopf verletzt worden. Auf dem Parkplatz des Campingplatzes demolierten währenddessen drei weitere Personen dort abgestellte Fahrzeuge. Dabei gingen sie willkürlich vor. Zudem wurde ein gegen Rechtsextremismus gerichtetes Banner abgerissen und entwendet. Bereits im Vorfeld kam es zu Drohungen der faschistischen "Freie Kräfte Schwalm“ gegenüber TeilnehmerInnen des Sommercamps.
Seit Donnerstag diskutierten und feierten rund 50 junge Menschen aus ganz Hessen friedlich auf dem linken Sommercamp. Unter anderem nahmen sie am Samstag in Treysa an der erfolgreichen Demonstration gegen Rassismus teil.
Die 13-Jährige erlitt Verletzungen am Kopf und wurde in das Krankenhaus Ziegenhain eingeliefert, von wo sie nach Marburg in die Uni-Klinik verlegt wurde, ihr 23-jähriger Bruder wurde vor Ort ambulant behandelt.
Wer sich zuletzt mit den Aktivitäten der Neonazis aus dem Raum Schwalmstadt und Neukirchen befasste und von dem Sommercamp der Jugendorganisation erfuhr, fragte besogt bei den Organisatoren an, ob und wie man das Camp vor Angriffen schützen wolle. Der Verdacht war leider begründet. Als ich selbst gestern noch einmal den Campingplatz am Neuenhainer See aufsuchte, verließ gerade ein Fahrzeug der Polizei das Gelände. Ein Gespräch mit den Campteilnehmern vor Ort ergab, dass die Polizei tatsächlich wegen des Zeltlagers der Jugendorganisation am Neuenhainer See war.
Bereits im hessischen Verfassungsschutzbericht 2005 gibt es einen deutlichen Hinweis auf die braune Schlägertruppe aus der Schwalm. In dem Abschnitt über "Rechtsextremisten und ihre Konzerte" heißt es im Verfassungsschutzbericht:
In Heßlar (Schwalm-Eder-Kreis) feierten am 11. November 30 bis 50 Skinheads und Neonazis in einer Grillhütte. Als die Polizei, durch einen Hinweis informiert, anfing, außerhalb des Gebäudes Personalien aufzunehmen, warfen die Rechtsextremisten Stühle und Bierflaschen vor die Tür. Sie riefen "Bullenschweine" und verwehrten den Beamten den Zutritt. Diese setzten Pfefferspray ein und umstellten die Hütte, ein Sondereinsatzkommando nahm die Randalierer fest. In der Hütte hingen u. a. eine Reichskriegsflagge sowie ein rotes Transparent mit den Aufschriften "Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist" und "Freie Kräfte Schwalm-Eder". Vor dem Einsatz hatten die Gruppe "Royal Hatred" (Schwalm-Eder-Kreis) und der Liedermacher "Julemond" (Thüringen) gespielt. Gegen die Randalierer wurden Strafanzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Landfriedensbruch, Beleidigung und Sachbeschädigung gestellt.
Quelle. Verfassungsschutzbericht Hessen 2005
Wer nun glaubt, dass dieser Hinweis örtlichen Verantwortlichen eine Warnung gewesen sein müsste, der irrt gewaltig. Inzwischen hätten zahlreiche, sogar immer häufiger und deutlicher werdende Vorkommnisse dazu führen müssen, dass man sich in der Schwalm mit der Problematik einer aktiven und gewaltbereiten rechtsextremistischen Gruppierung auseinandersetzt. Hierzu sprach ich am Samstag auch mit Michael Mager, Kreistagsabgeordneter der Partei DIE LINKE. im Schwalm-Eder-Kreis. Ein aufmerksamer Lokalpolitiker sollte sich angesichts hunderter oder tausender Aufkleber mit rechten Parolen im Stadtbild auch Gedanken um die Entwicklung der Jugend machen.
Erst im Juni kam es zu gewalttätigen Übergriffen. Neonazis aus dem Umfeld der “Freien Kräfte Schwalm-Eder” hatten bei einer Abi-Fete eine junge Frau herumgeschubst und verletzt. Einen Tag später wurde ein junger Mann von einer Gruppe Rechtsextremer angegriffen.
Gegen halb zwei am frühen Morgen des 8. Juni 2008 rollen 4 PKW aus Schwalmstadt durch den eher beschaulichen Ortsteil Todenhausen der Tourismusgemeinde Frielendorf. Dann geht alles sehr schnell. Eine Gruppe von schwarz gekleideten und maskierten Jugendlichen, so Augenzeugen, verteilt sich mit Apfelgroßen Steinen (laut Polizeibericht) in den Büschen rings um den Jugendclub des Dorfes, der um diese Zeit bereits geschlossen hat. Einige Todenhäuser Jugendliche bemerken die "Angereisten" auf dem Heimweg von einer Fete in der Dorfgaststätte und gehen zum Jugendclub. Als sie dort eintreffen, kommen die Angreifer aus allen Richtungen und beginnen sofort eine heftige Schlägerei. Der Angriff bekannter Mitglieder der Neonazi-Gruppe aus Neukirchen und Schwalmstadt galt, so vermuten Todenhäuser Jugendliche, ihrem Jugendclub, in dem die Angreifer andersdenkende Gegner bzw. Opfer vermuteten.
Ein Schulleiter sollte nicht, wie geschehen, mit einer Strafanzeige drohen wenn über eine Aktion gegen Rechts an seiner Schule berichtet wird... es gibt zahlreiche negative Beispiele. Ein solches Klima haben wir im Rahmen unserer Berichterstattung in Nordhessen bereits mehrfach zu spüren bekommen und darauf aufmerksam gemacht. Genau dieses Wegsehen bietet rechtsextremen Schlägern den Raum, den sie für Einschüchterung und gezielte Angriffe nutzen!
weitere Artikel diverser Medien (auch der offizielle Polizeibericht) gibt es hier zu lesen
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Mich würde interessieren wie ihr darüber denkt?
Wird in Nordhessen zu sehr über die "braune Szene" hinweggesehen? Es fällt doch auf, das solche Meldung wenn sie aus Hessen kommen vermehrt aus dem nördlichen Teil kommen.
Auch der ehemalige Vorsitzende der NPD Wöll war in Nordhessen ansässig, ist nun jedoch nach dem Wahldebakel in Hessen nach Waren (Mecklenburg-Vorpommern) geflohen und erhofft sich hier mehr "Zuspruch". Hoffen wir mal das er auch hier scheitert!
Der Haupttäter, der übrigens mit einem Klappspaten auf das Opfer eingeschlagen hat ist gefasst worden. Auch er stammt aus dem Dunstkreis von Wöll.