Artikel in der F.A.Z. online vom 15.11.2008

  • Link zum Artikel
    -------------------------------------------------------------
    Zitatanfang:


    Partylieder machen keinen guten Job
    Von Timo Frasch


    15. November 2008
    In Kreisen, in denen der richtige Musikgeschmack als Ausweis der Dazugehörigkeit gilt, stehen die Toten Hosen nicht mehr hoch im Kurs. Während man dort der klassischen Hosen-Referenzgruppe Die Ärzte noch zugesteht, raffiniert zu texten, musikalisch ganz originell und politisch immer so sehr im Ironischen geblieben zu sein, dass sie sich nicht untreu oder in ihrer Treue nicht peinlich werden konnten, heißt es über die Düsseldorfer oft: mäßig an den Instrumenten, zu viele Sauflieder, zu plakative politische Botschaften – lallende Jusos eben, wie Wiglaf Droste einst über den Hosen-Sänger Campino sagte, dem es schwerzufallen schien, die Musik für sich sprechen zu lassen.


    Tatsächlich hat man Campino zuletzt außerhalb des Stadions von Fortuna Düsseldorf nicht mehr allzu oft in einer größeren Öffentlichkeit gesehen. Auch an dem Tag, als er sich zum Interview in den Räumen seiner Plattenfirma einfindet, kommt er gerade aus dem Stadion – 3:1 für die Fortuna. Dafür könnte er aber besserer Laune sein: „Dass uns einmal vorgeworfen wurde, wir seien inzwischen so sehr Mainstream, dass jeder Bundeswehrsoldat unsere Lieder grölt – das müssen wir uns nicht reindrücken lassen.“ In den neunziger Jahren sei er häufig in Fernsehsendungen gewesen, gibt er zu; da habe er wohl für einen gewissen „Overkill“ gesorgt. „Ich dachte, ich könnte eine politische Intention rüberbringen. Aus heutiger Sicht war das ein Fehler.“ Ende Oktober hätte Campino in der Literatursendung von Elke Heidenreich über Bücher sprechen sollen, woraus aus bekannten Gründen aber nichts wurde.


    Freunde geblieben


    Die Toten Hosen gibt es seit Anfang der achtziger Jahre. Campino war mit dem Gitarristen Breiti zur Schule gegangen, den Bassisten Andi kannte er aus dem Hockeyverein; Kuddel wurde ihm als Gitarrist für seine frühere Band ZK empfohlen. Noch immer spielt die Band fast in Originalbesetzung; nur der Schlagzeuger, der wegen eines Rückenleidens die Stöcke nicht mehr halten konnte, musste ausgetauscht werden. Die Toten Hosen sind Freunde geblieben, was nicht gegen sie spricht. Ihren Stil haben sie in all den Jahren nie groß geändert, auch wenn manche sagen, früher seien sie besser gewesen. Die Älteren behaupten, die erste Platte „Opel-Gang“ habe noch etwas ganz Eigenes gehabt, auch „Ein kleines bisschen Horrorschau“; spätestens mit der Platte „Kauf mich“ habe aber der Ausverkauf des Hosen-Punk eingesetzt. Die Jüngeren wiederum versichern, das Album „Kauf mich“, auf dem man die konsumkritischen Tendenzen nicht gerade mit der Lupe suchen musste, sei der eigentliche Höhepunkt gewesen; mit dem Album „Auswärtsspiel“ und Liedern wie „Kein Alkohol“ sei es dann aber bergab gegangen.


    Die breitere Masse sieht das offenbar anders: Nach wie vor gehören die Toten Hosen zu den wenigen deutschen Künstlern, die bei großen Festivals wie Rock am Ring als Headliner engagiert werden. „Daran sehen wir, dass es mit uns noch in Ordnung ist“, sagt Campino. Ihr letztes Studioalbum liegt vier Jahre zurück. Es war kein allzu großer Wurf. Die Toten Hosen sagen, sie wüssten auch, warum: Zu abgelenkt seien sie gewesen, zu schnell habe man sich mit bestimmten „Füllliedern“ zufriedengegeben. „Außerdem“, sagt Campino, „haben mich zur damaligen Zeit Sachen beschäftigt, die ich nicht in die Texte einfließen lassen wollte. Deshalb habe ich mich hinter wohlgefälligen Worthülsen versteckt.“


    Ist Uli Hoeneß sympathisch?


    Seither ist zumindest im Leben Campinos viel passiert: Er ist nicht mehr mit der Schauspielerin Karina Krawczyk zusammen, er hat unter Klaus Maria Brandauer Theater gespielt und eine Hauptrolle in einem Wenders-Film bekommen; außerdem gewann seine zweite Liebe neben Fortuna Düsseldorf, der FC Liverpool, nach einem 0:3-Rückstand gegen den AC Mailand noch die Champions League. Campino, dessen Mutter aus England stammte und den Kindern wegen des Falkland-Kriegs einst verbot, argentinisches Rindfleisch zu essen, hat nach dem Sieg in Liverpool mit den Spielern gefeiert. Es war schon sehr spät, als er den früheren Bayern-Spieler Didi Hamann fragte, ob Uli Hoeneß nicht doch so unsympathisch sei, wie er, Campino, immer glaubte. Als Hamann dies verneinte, geriet das Weltbild der Band doch etwas durcheinander.


    Die neue Hosen-Platte „In aller Stille“, die an diesem Freitag veröffentlicht wurde, verzichtet denn auch weitgehend auf politische Eindeutigkeiten. Auch pubertäre Sauf- oder Spaßlieder gibt es nicht mehr. Ein Zeichen von Reife? „Auch unser Album ,Opium fürs Volk‘, das 1996 erschien, war schon sehr ernsthaft“, behauptet Campino. „Aber vielleicht hat uns damals noch das Selbstbewusstsein gefehlt, auch dazu zu stehen. Deshalb haben wir noch einen Fremdkörper namens ,Zehn kleine Jägermeister‘ draufgepackt.“ Er bereue das aber nicht. Sein Anspruch sei es, eine linke musikalische Alternative zu bieten, ohne als Softie zu gelten. „Auch bei uns sollte man Südkurvenstimmung erleben können“, sagt er, und seine Laune ist nun doch deutlich besser geworden. „Die Partylieder haben da einen guten Job gemacht.“


    „Versucht, bei uns zu bleiben“


    Die neue Platte, wieder mit der bewährten Mischung aus schnellen und balladesken Liedern, kommt auf den Markt, wenige Wochen nachdem eine andere Band, die ebenfalls mit wenigen Riffs auskam, auch eine Platte herausgebracht hat: die stilistisch zuweilen ähnlich erscheinende Hardrockband AC/DC, die mit Althergebrachtem schon jetzt erstaunliche Verkaufszahlen erreicht hat. „Auf dem AC/DC-Album ist kein einziger überraschender Ton“, sagt Campino. „Aber die Leute wissen: Die Typen meinen das so.“ Seine Vorstellung von dem, was eine gute Platte ist, unterscheidet sich davon nicht allzu sehr. „Gerade diesmal haben wir versucht, bei uns zu bleiben. Bloß nicht das große, bedeutungsschwangere Werk.“ Es gehe schließlich um nicht mehr und nicht weniger als um Rockmusik.


    In diesem Sinn ist die neue Platte durchaus gelungen und bietet mit Liedern wie „Alles was war“ sicherlich Material für Konzerte, deren man sich wohl auch noch lange danach erinnern wird. Live sind die Toten Hosen sowieso am besten, wenn alle so klein und unbedeutend bleiben dürfen, wie sie sich vielleicht fühlen, und es an Campino ist, ihnen zu zeigen, wie groß sie doch sind. Das ist nicht übermäßig komisch oder brillant; wenn Campino aber auf die Beleuchtungsmasten klettert oder mit seinen sechsundvierzig Jahren in die wabernde Masse vor der Bühne springt, damit jeder spürt, dass er genauso schwitzt wie alle und sich für nichts zu schade ist, auch nicht für brennende Kippen oder „Sackkneifer“ (Campino) – dann kommt es darauf auch gar nicht mehr an.


    „Was ist von uns geblieben, und was wird bleiben?“ Diese Frage ist eines der Leitmotive der neuen Platte. Vielleicht ist es ja das: dass noch in vielen Jahren, wenn es die Band schon gar nicht mehr gibt, Junge und Alte, Dumme und Kluge in irgendeinem Club stehen und „Hier kommt Alex“ oder eines der neuen Lieder oder das allerbeste Lied, das die Band laut Campino noch gar nicht geschrieben hat, von der ersten bis zur letzten Strophe mitsingen werden – ohne die Hosen überhaupt noch zu kennen und ohne zu wissen, wie ihnen eigentlich geschieht.


    Zitatende.
    -------------------------------------------------------------


    auf F.A.Z. online sind auch noch weitere Artikel zu finden:


    - Das Campino-Alphabet (24.11.2005)
    - Rampensau aus dem Süßwarengeschäft (24.11.2005)
    - Schweinealt, doch unverwüstlich: Die Toten Hosen leben weiter (21.01.2002)

    "Was sind schon Argumente? Nichts weiter als überbewertete Fakten."
    (Olaf Schubert)

    Einmal editiert, zuletzt von Vogtländer ()

  • will keinen neuen thread auf machen hab auf n-joy noch nen kleinen und wieder lustigen steckbrief von campi gefunden hier der [URL=http://www.n-joy.de/njoy_pages_std/0,3044,OID5100458_REF2140,00.html]link[/URL]

    ~>Opium fürs Volk<~

  • Zitat

    Original von Bonnie07
    will keinen neuen thread auf machen hab auf n-joy noch nen kleinen und wieder lustigen steckbrief von campi gefunden hier der [URL=http://www.n-joy.de/njoy_pages_std/0,3044,OID5100458_REF2140,00.html]link[/URL]


    http://www.n-joy.de/njoy_pages…ID5100790_REF2140,00.html


    Diese Schrift!!! :D


    Ist ein Graphologe unter uns und kann das mal deuten? ;)

    Wir werden siegen - irgendwann einmal.
    Und wir leben nur für diesen einen Tag
    .

  • lesen kann mans schon weil die buchstaben schön goß sind aber die lhrer hatten bei den minizeilen in der schule sicher prob seine schrift zu lesen (dann hab ich wohl beste vorraussetzungen auch berühmt zu werden :D :D )


    aber finds geil das er RATM falsch geschrieben hat..."machine" schreibt man schon so und net wie der oder? :D (campi: mashine)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!

  • Registrierte Mitglieder haben die folgenden Vorteile:
  • ✔ kostenlose Mitgliedschaft
  • ✔ direkter Austausch mit anderen DTH-Fans
  • ✔ keine Werbung im Forum
  • ✔ neue Fragen stellen oder Diskussionen starten
  • ✔ kostenlose Nutzung unseres Marktbereiches
  • ✔ eigene Konzertübersicht
  • ✔ und vieles mehr ...