Für mich nach wie vor ein schwieriges Album - habe es gestern vor dem Ventilator hängend bei niederstreckenden 38° entspannt bei einem Eistee nochmals durchgehört.
Dem makellos guten Ruf der Scheibe hier im Forum kann ich nicht beipflichten, jedoch ist es dann doch deutlich besser als ich es in Erinnerung hatte.
Das Album ist schwer und unterkühlt, irgendwie düster - jedoch nicht die Form von Düsternis wie sie zB bei Joy Division oder Killing Joke wirkt, sondern eine Kälte der Distanz, die mich irgendwie trotz sehr starken Elementen immer wieder abschreckt.
Textlich sind da gute Dinge bei, jedoch sehe ich im Gegensatz zu vielen zB "Ertrinken" als textliches Mittelmass. Ich habe in älteren Postings über Kollaborationen beim Texten geschrieben und das sehe ich auch 2019 noch so. Der Text geht bei mir nicht über ein Kratzen an der Oberfläche raus.
Gegeneteilig das wunderbare "Auflösen". Hier ein Kandidat der Ablehnung, bei mir ganz weit oben. Sowohl der Text als auch die passend umrahmende Musik sprechen mich an - das Tüpfelchen auf's i bringt jedoch Birgit Minichmayr mit ihrer verruchten, kaputten Stimme, die dem Text gar eine erotsische Nuance verleiht.
Der beste Song für mich jedoch ist "Teil von mir": Das Ding ballert ungemein ohne künstlich auf Hart gemacht zu sein, hat eine top Melodie im Stil der Hosen der späten 80er/frühen 90ern, dazu dieses wunderbare Intro von Kuddel, der damit wieder beweist, was für ein aussergewöhnliches Gespür für griffige Melodien und Riffs er hat - nicht mal so einfach zu spielen. Toller Gitarrist, der dem Hosen-Sound, der meist auf eher simplem Grundgerüst basiert, eine enorme Ausstrahlung, Dichte und Kraft schenkt und aus der Simplizität immer wieder eine kleine Sinfonie macht - teilweise auf dem Nichts und total unerwartet. Man nimmt das Genie dieses Mannes gar nicht wirklich wahr, wenn man nicht genau hinhört (oder keine Ahnung von Musik hat), da er nicht selbstverliebt dudelt und dadurch sein Können offensichtlich zur Schau stellt. Obwohl er das sicher auch könnte - seine Stärke und sein Verlangen liegt im Banddienlichen, darin Songs zu arrangieren und auszuschmücken - aus dem Inneren heraus auszubauen, ohne dass es gleich protzig klingt! Das erfordert ein unfassbar gutes Gehör und viel Musikalität. In "Teil von mir" kommt das mitunter durch.
Dann wäre da noch "Tauschen gegen dich" - ein kleines Meisterwerk, sowohl was Campinos Arbeit angeht als auch der musikalische Part. Das ist so unfassbar zerbrechlich oder bereits schon gebrochen und extrem fein. Musikalisch ein Ausdruck der Unsicherheit, verletzlich und introvertiert. Das mitunter Spannende an dem Song musikalisch ist, dass er immer "on the edge" tanzt: Er könnte immer ausbrechen, es könnte immer was passieren - man erwartet am Ende des Taktes den Lärm, den Pathos - eine Progression mit einem lauten Climax... Doch das passiert nicht. So fein und zerbrechlich wie der Song startet, so endet er auch. Ohne Ausbruch, ohne Lautstärke. Und das ist auch richtig! So wird das Stück von Kitsch oder Übertreibung verschont. Das Lied rührt mich immer wieder zu Tränen - Ängste von Verlust, Schmerz über Verlorenes, Erkenntnis und Reflexion des Daseins.
"Leben ist tödlich" ist auch einer meiner Faves hier - wohl auch, weil er dort anzuküpfen vermag, wo die Hosen um Opium herum aufgehört haben - top Introriff, super Refrain. Gutes Stück, ebenso "Alles neu" das ich auch ziemlich mag und natürlich auch "Strom". "Strom" ist ein kleiner Gassenhauer, der besonders live immer gut funktioniert!
Das Album erschien im Spätherbst 2008, einer für mich sehr schweren Zeit. Ich glaube nie zuvor und danach habe ich mich so scheisse gefühlt wie in dieser Phase. Weiter unten war ich nie - insofern ist es nicht verwunderlich, dass dieses Album, das halt dann auch Lebenssoundtrack wurde, in der Retrospektive nicht allzu gut wegkommen kann. Das sind aber persönliche Ressentiments und insofern sehr subjektiv.
Was die Produktion angeht: Klar wäre ein Caffery-Remix interessant - allerdings hat Jon auch nicht NUR Meisterwerke des Klanges abgeliefert. Ich denke da an "Unsterblich" und "Zurück zum Glück" - finde die Alben klangtechnisch nicht sonderlich stark und ZzG war das Letzte mit Jon, insofern weiss ich nicht, ob Jon da grossartig anders produziert hätte. Es war Sorgs Erstling und Ballast war sein Zweitwerk und wir hören klar und deutlich nen Unterschied bei den Alben im Sound. Insofern wird IaS noch mehr an alten Caffery-Mustern festhalten, während bei Ballast Sorgs Arbeit und Vorstellungen mehr Zugeständnisse gemacht wurden.