Vorweg: Für mich ist die Kritik bezüglich des Publikums völlig verständlich und ich finde es absolut legitim, das Forum zum Luftablassen zu benutzen. Ich möchte auch keine Becherpinkler und andere Phänomene in Schutz nehmen, aber es fällt doch auf, dass in letzter Zeit immer mehr Unmut laut wird. Für mich stellen sich genau zwei Fragen:
1. Wo liegt der Hund begraben? Weshalb ziehen die Hosen ein solches Publikum an?
Ich kann bisher keine Vergleiche zu Bands dieser Größenordnung ziehen, aber auf Großveranstaltungen ähnlicher Art (Fußball, Festivals) treffen die geäußerten Kritikpunkte ebenfalls zu. Natürlich finde ich es bedauerlich, dass sich auch auf Hosenkonzerten immer deutlicher ein Trend zum Asozialen abzeichnet. Natürlich tut es mir Leid, dass sich das Verständnis vom Erlebnis Konzert wandelt und letzteres zunehmend regelrecht für Orgien missbraucht wird. Natürlich komme ich beim Anblick von niveaulosen Deppen wie Becherpinklern ins Grübeln, warum sie sich ausgerechnet für die Hosen entschieden haben. Und dennoch bin ich von dieser Entwicklung nicht überrascht, eben weil solche Veranstaltungen auch ein Spiegel unserer Zeit sind. Die Hosen haben im Lauf der Jahre tatkräftig an ihrer Fußball- und Feiermentalität gearbeitet, die sicherlich nicht unwesentlich für den derzeit kritisierten Trend ist. Auch die Tatsache, dass Fanny- und Partyhits als feste Bestandteile der Konzerte integriert werden, bedient dieses Image. Es wäre daher ziemlich dumm und ignorant, den Hosen gänzlich die Schuld abzusprechen und sich über irgendwelche Nebenmänner und –frauen beim Konzert aufzuregen, die einem nicht ins Bild passen oder eine andere Auffassung von den Hosen haben. Für mich ist es auch nicht Sinn der Sache, von einem Missverstehen zu sprechen. Falsch verstanden haben diese Leute die Hosen vielleicht nicht einmal, sondern reduziert. Und dafür bieten die genannten Kaliber den besten Nährboden. Letzterer ließ sich in der frühen Bandgeschichte vielleicht noch unter Kontrolle bringen, aber in einer Liga, in der die Hosen mittlerweile spielen, verselbständigt sich das Ganze zusehends.
2. Was kann ich gegen eine solche Entwicklung tun?
Als Fan, dem das Verhalten der Mitkonzertler aufstößt, bist du abgesehen von Versuchen des (bereits erwähnten) gemeinsamen Nichtduldens mit möglichem Rauswurf im Grunde genommen machtlos. Eigentlich zeigt sogar ein Rauswurf die Machtlosigkeit, denn du gebietest dem Trend ja keinen Einhalt, sondern entfernst ihn säuberlich: "Man kann die Realität gut ignorieren durch den perfekten Bildausschnitt." Was ich aus den meisten Beiträgen herauslese, ist Entsetzen und Fassungslosigkeit über den Stumpfsinn und die Primitivität, die viele auf Hosenkonzerten nicht wissen wollen. Das ist die Seite des Wesens Mensch, die uns anekelt und die in unserem Weltbild nicht zu den Hosen passt. Überhaupt habe ich beim Lesen von einigen Konzertberichten immer mehr den Eindruck, dass vieles stört, was nicht mit der eigenen Auffassung übereinstimmt. Damit ist nicht gemeint, jeden Schwachsinn zu dulden, vielmehr geht es mir um das Unvermögen vom Menschen, sich mit seiner widerlichen Seite auseinanderzusetzen. Mhh ich weiß nicht, ob mein Gebrabbel irgendjemand versteht, aber DAS ist (u.a.) unsere Gesellschaft und wenn wir dann mal mit ihr konfrontiert werden, sind wir nicht in der Lage, mit ihr umzugehen und sie als Teil zu begreifen. Stattdessen schreien wir rum und regen uns auf und empören uns. Ausgeliefert eben.
Für die Leute, die mit dem Zeitgeist, der uns auf solch Großveranstaltungen wie bei den Hosen entgegenschlägt, überhaupt nicht mehr klarkommen, sehe ich die einzige Konsequenz darin, sowas nicht mehr zu besuchen…
P.S.: Was das "Nur-zu-Besuch"-Klatschen angeht, kann ich mich ringo anschließen. Wie soll das Publikum denn anders mit der Band kommunizieren? Als der Song vor vier Tagen den Betroffenen des Amoklaufs in Erfurt gewidmet wurde, wurde darauf auch mit Applaus reagiert, allerdings hat sich dieser deutlich vom üblichen Klatschen abgehoben, denn er war RESPEKTVOLL und BEHUTSAM. Ja, man mag es angesichts der vielen Nörgler gar nicht glauben, aber auch ein Hosenpublikum kann Feingefühl zeigen. :wall: