Liedanalyse zu Ülüsü
„In dem Lied geht es darum, daß ein Junge auf einer Party ein Mädchen ken-nenlernt und sich beide näher kommen. Als er erfährt, dass sie eine Türkin ist, will er aber aus rassistischen Motiven nichts mehr mit ihr zu tun haben.“
Inhalt des Liedes: In der ersten Strophe, wird der Hörer in das Szenario einge-führt. Ülüsü ist eine Türkin, die sich auf einer Party mit vielen Freuden aufhält. Es ist keine Faschoparty, ihre Anwesenheit und ihr Aussehen werden akzeptiert und toleriert,(Z.1-2). Anscheinend stammt sie aus einer Familie, die mit der westlichen Kultur keine Probleme hat und nach deren Vorstellungen lebt. Auf der Party wird sie von dem Protagonisten/Sänger angesehen, der sich sofort in sie verliebt und mit ihr schlafen will,(Z.4-7). Der Protagonist denkt mit der Zeile „Liebe für immer“(Z.6) an ein Treueverhältnis, vielleicht sogar an Ehe. Nach dem Akt im Schlafzimmer fragt der Junge das Mädchen nach ihrem Namen und sie antwortet „Ülüsü“.
Im Refrain reagiert der Junge schockiert und fassungslos auf Ülüsü’s Antwort, indem er mehrfach die nationale Herkunft von ihr als Türkin nennt und sich fragt, wie es so weit mit ihm kommen musste,(Z.9-13).
Der Junge ändert unverzüglich seine Ansicht über Ülüsü. Er bemitleidet sich selbst und schämt sich, etwas mit einer Türkin angefangen zu haben.
In der zweiten Strophe erklärt er die vereinbarte Verabredung an der Pommes-bude für nichtig. Das Treffen an diesem öffentlichen Platz sagt er ab, denn Ülüsü muss verstehen, dass er sich sonst nicht mehr zu Hause sehen lassen kann. Das Umfeld des Protagonisten scheint geprägt von Fremdenhass und übertriebenen Nationalstolz. Der Protagonist hat diese Ansichten übernommen und setzt diese als Rechtfertigungsgrund seiner folgenden Aussagen fest.
So stellt sich seine eigene Feigheit heraus, aus dem „Kreis“ auszubrechen kommt für ihn nicht in Frage. Dies wird in den nächsten beiden Zeilen noch in-tensiviert. „Der Ruf der deutschen Familie steht auf dem Spiel,“(Z.18), das ge-samte Ansehen in der Nachbarschaft und der Umgebung kann und will er nicht gefährden.
Mit der Zeile „und da hilft später kein Persil“(Z.19) scheitert ein möglicher Ver-such einer Rechtfertigung, Persil als das selbsttätige Waschmittel, dass so tief-gründig reinigt, reicht nicht aus, um die Schande reinzuwaschen. Am Ende der zweiten Strophe steigert der Protagonist seinen Hass, indem er Ülüsü vor-wirft, sich jedem Mann in einer Art von Prostitution hinzugeben. Nach Macho- Manier wertet er sie dann zusätzlich ab: „Du gehst bestimmt mit allen ins Bett,“(Z.21). Diese Aussage wurde bewusst so intensiv am Ende ausgewählt um das schlechte, verachtenswerte Verhalten des Jungen zu fixieren.
Im Refrain wiederholen die Backgroundsänger den Namen „Ülüsü“, während der Protagonist sich auf sein Selbstmitleid konzentriert. Elektronikgitarre, Schlagzeug, Rhytmusgitarre und Elektronikbass sind in dem Stück zu hören.
Das Musik-Tonverhältnis ist konstant. Beginnend mit einem ruhigen Bass, Schlagzeugspiel und Rhythmusgitarre wird durch das Einsetzen der Leadgitarre das Tempo erhöht. Der Gesang steigert sich kurz vor dem Refrain, wenn auch die Musik an Lautstärke zunimmt, vor allem die Gitarren schneller und härter klingen.
Der dramatische Höhepunkt der höchsten musikalischen Steigerung ist somit erreicht, wenn der Refrain einsetzt. Der Gesang ist hier besonders intensiv und betont. Zwischen Refrain und zweiter Strophe werden die Takte aus der An-fangssequenz insbesondere von den Gitarren und dem Bass lebhafter wieder-holt. Die zweite Strophe verläuft musikalisch wie die erste. Der Refrain wird zweimal wiederholt. Der Sänger beendet seinen Gesang mit einer mehrfachen Wiederholung des Namens Ülüsü.
Das Intro wird als Coda erneut gespielt und endet mit ausklingender Rhytmus-gitarre. Das Schlagzeug beendet das Lied mit einem letzten, sehr kurzen Spiel.
Das Musikstück enthält eine sehr eingängige Melodie. Damit wird das Mitsingen wesentlich erleichtert. Schon im Refrain von wird im Hintergrund immer wieder der Name des Mädchens von Backgroundsängern wiederholt.
„Ülüsü“ kann man zurecht als eines der ironischsten Lieder der Gruppe be-zeichnen. In der Entstehungszeit 1983 hatte sich die „Rechte Szene“ in der Bundesrepublik politisch manifestiert. Damit konnte das Lied seine beabsich-tigte Wirkung voll entfalten. Aufgrund der ironischen Art war „Ülüsü“ jedoch nicht für alle sofort verständlich. Sogar in die Szene der Rechtsradikalen sollte dieses Lied von Hörern gesetzt werden.
Das Lied löste zum damaligen Zeitpunkt 1983 diverse Diskussionen aus.
Breiti erklärte dazu: „Als „Ülüsü“ 1983 erschien, spielten wir für ein überschau-bares Publikum und wir waren davon überzeugt, dass jeder die Ironie des Lie-des verstehen würde.
Denn das Lied soll ausdrücken, dass der Junge, der das Mädchen verläßt, als er erfährt, dass sie eine Türkin ist, ein Riesenarschloch ist. Das hat damals
auch jeder so verstanden, es ist in dem Text auch deutlich auf diese Weise dargestellt.“
Campino fügte hinzu: „Ich weiß, daß das Thema zu brisant ist, um einen Text zu schreiben, der am Ende peinlich stumpf wird. ‚Scheiß Nazis!‘, daß das ist unsere Einstellung ist, muß von vornherein klar sein. Und jeder, der unsere Platten hört, weiß, auf welcher Seite wir da stehen. Wir sind, was das angeht alles andere als neutral.“
Nicht so verstanden hatten es aber die Plattenkritiker, welche die Toten Hosen als „Naziband“ titulierten. Dazu äußerte sich Andi, der Bassist: „Bei „Ülüsü“, einem Stück aus der ersten LP dachten zum Beispiel viele, wir wären
nazi- mäßig drauf. Wenn du so etwas hörst, überlegst du Dir, daß es einfach platter gesagt werden muss. Eigentlich stehen wir nicht so drauf, wie Messias auf der Bühne zu stehen und den Leuten zu sagen, was gut oder schlecht ist. Aber in einer Zeit in der Republikaner und Ausländerfeindlichkeit normal gewor-den sind und jeder damit lebt, kann es nicht schlecht sein, wenn man mal sagt, was man denkt.“
Das dieses Lied in seiner Aussage missverstanden wurde, war und ist ein Indiz dafür, inwieweit die Problematik von Rechtsextremismus eine Rolle in der Ge-sellschaft einnimmt. Noch in den achtziger Jahren war Fremdenfeindlichkeit eher ein Tabubegriff. Die Intention, die Öffentlichkeit noch mehr auf die Proble-matik zu sensibilisieren, hat die Band mit diesem Lied erreicht. Die Toten Hosen nahmen die kritischen Äußerungen zum Anlass weitere Lieder zum Thema zu schreiben:
„Ülüsü“ war das erste einer Reihe von Liedern („Fünf vor zwölf“, „Willkommen in Deutschland“, „Sascha - ein aufrechter Deutscher“) in denen Fremdenhaß oder Rassismus ein Thema ist.“
Die Problematik von Vorurteilen gegenüber Ausländern ist auch heute noch aktuell.
Erstaunlich erscheint im Zusammenhang mit dem Lied ein Hinweis, den der Autor durch einen Zufall erfahren hat. Der verwendete Name Ülüsü stammt an-scheinend vom türkischen Verb „ulu“ ab, das soviel heißt, wie erhaben. Ülüsü hieße dann soviel wie „die Erhabene“ oder noch konkreter „die Schönheit“.
Wenn die Band tatsächlich diesen Namen bewusst ausgewählt hat, gerät die Bedeutung des Liedes auf eine völlig andere Ebene.
Das Verhalten des deutschen Jungen würde in diesem Zusammenhang noch unverständlicher erscheinen, da er, wie in der Interpretation ausführlich darge-legt wurde, Ülüsü verläßt, weil er mit einer Türkin nichts zu tun haben will.
Mit dem Namen würde vielleicht ein konkreter Bezug zu ihrem Namen gemacht werden, der die Reaktion des Protagonisten noch verachtenswerter macht.
Die Schönheit von Ülüsü ist dem Protagonisten schließlich aufgefallen.
Das Stück „Ülüsü“ enthält viele Aspekte, die sich mit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auseinandersetzen. Die Reaktion des Protagonisten kann „beden-kenlos“ in die heutige Zeit übernommen werden. Auch im Jahre 2005 sind mas-sive Vorurteile gegenüber Beziehungen zwischen verschiedenen Kulturen vor-handen.
Daher bietet sich dieses Lied im Geschichtsunterricht an, um Schüler zu sensi-bilisieren, sich nicht intolerant und abweisend gegenüber Ausländern zu ver-halten, sondern aufgeschlossen und interessiert. Dieser Song kann Schüler animieren, sich Gedanken über ihre eigenen Wertvorstellungen zu machen. Wie der Protagonist handelt, ist nicht nachvollziehbar, wenn er wirklich etwas für Ülüsü empfinden würde, wäre ihm ihre Herkunft egal.