Urheberrecht: Auch Die Toten Hosen stellen sich gegen 15-Sekunden-Regel​

  • Bereits im November 2020 waren zahlreiche Musiker gegen die damals vom Bundesjustizministerium noch geplante Freigabe von bis zu 20 Sekunden eines Songs auf die Barrikaden gegangen. Mit einem Teilerfolg: Inzwischen sieht der Entwurf der Bundesregierung statt einer klaren Schranke für die Exklusivrechte der Verwerter nur noch ein gestutztes Konzept von "mutmaßlich erlaubten Nutzungen" mit 15 Sekunden vor.


    Trotz der Korrekturen richtet sich die Kritik der Künstler nun vor allem gegen diese Regel. Ihr Protest "verschwand in den Schubladen und der geforderte Respekt für unsere künstlerische Arbeit blieb aus", heißt es in dem Brief. Stattdessen gebe es Anhörungen mit vermeintlichen Netzexperten. "Aus ihrem ideologischen Elfenbeinturm heraus spinnen sie realitätsferne Zensurszenarien und erwecken den Eindruck, das Netz sei aktuell 'frei' und erst mit der Umsetzung" der EU-Urheberrechtsrichtlinie "stünde die Sintflut der Upload-Filter bevor.


    Zu den Unterzeichnern gehören die Abstürzenden Brieftauben, Alexander Klaws, Annemarie Eilfeld, Bernhard Brink, David Garrett, Die Ärzte, Die Prinzen, Die Toten Hosen, Ella Endlich, Frida Gold, Heinz-Rudolf Kunze, Helene Fischer, Herbert Grönemeyer, Howard Carpendale, Ireen Sheer, Jeanette Biedermann, Klaas, Knorkator, Konstantin Wecker, Leslie Mandoki, Maite Kelly, Marianne Rosenberg, Nico Santos, Paul van Dyk, Peter Maffay, Stefan Mross, Tim Bendzko, Udo Lindenberg und das extra aufgeführte Panikorchester sowie Wolfgang Niedecken (BAP).

    Ich bin einigermaßen erstaunt, vielleicht sogar geschockt, diese Namen auf so einer Liste zu lesen.


    Ich kann natürlich verstehen, dass man sich über seine Urheberrechte Gedanken macht, aber warum man einen Aufstand macht, wenn es um lächerliche 15 Sekunden (!) Musik geht, die man vielleicht in einen Remix einbaut oder die ein Fan dafür verwendet, sein YouTube-Video zu hinterlegen, das erschließt sich mir nicht.


    Schon jetzt werden bspw. auf YouTube viele Videos gelöscht, nur weil im Hintergrund irgendein blöder Song läuft. Ich persönlich weiß von einem Fall, wo ein Video von einer Demo nicht veröffentlicht wurde, weil im Hintergrund völlig unabh. vom gezeigten Inhalten irgendein Demo-Teilnehmer einen Ghettoblaster hatte laufen lassen. Sowas ist albern. Meine Meinung dazu ist, dass das eher für solche Fälle gelockert werden muss und nicht noch weiter verschärft.


    Ob eine Urheberverletzung vorliegt, sollte - wie vieles andere in unserem Rechtssystem - von einer Einzelfallprüfung abhängig sein. (Ich weiß, das Justizsystem wäre von den Klagen der Contentindustrie wahrscheinlich komplett überlastet). Ich glaube, hier wird sehr engstirnig gedacht.


    Ich finde, dass eine Band, die selbst so einige Kollateralschäden als ok einstuft (Auseinandergenommene Locations, geprellte Zechen, Schlägereien), eine Band, die sonst so viel von Freiheit und gegen Unterdrückung argumentiert, hier in dem Zitat von 15 Sekunden Liedmaterial ein Problem sieht, erschließt sich mir leider nicht. Für mich ein ganz klares No-Go und eine Enttäuschung.


    Auf der anderen Seite steht immernoch das Argument der Befürworter der Regel: Um eine aktive Verbreitung auf Netzplattformen zu verhindern, müsste defacto jede kleine Popelwebseite einen technischen Filter bauen, der jeden File-Upload prüft. Das ist außer für Giganten wie YouTube oder Twitter technisch gar nicht realisierbar und auch die machen genug Fehler bei ihren automatischen Filtern. Und das Argument, dass so eine Struktur zur Zensur missbraucht werden kann, ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Zu oft haben die Politiker (oder die Exekutivorgane) in den letzten Jahren gezeigt, dass Strukturen, die einst für die Verfolgung "schlimmstmögliche Verbrechen" (Kinderpornographie, Terrorismus, ...) am Ende hauptsächlich für die Verfolgung marginaler Vergehen genutzt wurden (Urheberrecht, Drogenbesitz, ...) - also entgegen dem, wofür sie mal gedacht bzw. zumindest dem Volk kommuniziert wurden (Überwachung von Telefonnaten fällt mir da ein als sehr großer Eingriff in die Privatsphäre).

    36 (+2)
    Narf.

  • Ich kann natürlich verstehen, dass man sich über seine Urheberrechte Gedanken macht, aber warum man einen Aufstand macht, wenn es um lächerliche 15 Sekunden (!) Musik geht, die man vielleicht in einen Remix einbaut oder die ein Fan dafür verwendet, sein YouTube-Video zu hinterlegen, das erschließt sich mir nicht.

    Ich hab mich mit dem ganzen Szenario nicht befasst und es war mir bis dato unbekannt, aber auch die 15 sek hat mal irgendwer komponiert und getextet. Wsl um damit Geld zu verdienen, weil Musik sein Job ist.
    Dann müsste man ja definieren, ob Urheberrecht schon beim ersten Ton anfängt oder erst ab einer gewissen, festgelegten Zeit.
    Abgesehen davon, wer macht denn den Remix? Der Fan, für sich zu Hause oder jemand der kommerziell Musik macht und Bauteile anderer weiter verwendet?
    Und von welchen 20 sek ist die Rede? Von den ersten, die bei vielen Songs DAS Erkennungsmerkmal sind oder von einer beliebigen Stelle?

    Wie gesagt, ich kenne die Problematik nicht, das sind jetzt nur die ersten Gedankengänge, von daher vermag ich mir da (noch) kein richtiges Urteil zu bilden.

    Wer keine Angst vorm Teufel hat, braucht auch keinen Gott!


    Nr. 5 lebt - wir sehen uns wo die eisernen Kreuze stehen...

  • Ich sehe das ähnlich wie KK; grundsätzlich könnte man sagen: für die private Verwendung ist das eigentlich wurscht, aber sobald die Verwendung einen kommerziellen Hintergrund hat, sähe ich auch kleinste Schnipsel als lizenzpflichtig an.


    Nun ist die Problematik ja, dass vielleicht der Uploader überhaupt keine kommerziellen Absichten hat, der Anbieter, bei dem er es hochlädt hingegen sicherlich. Egal ob das nun Youtube, Facebook, Instagram oder oder oder ist.

    Da verstehe ich die Künstler schon; es geht da sicherlich weniger drum, den Fan anzugehen, sondern riesigen Konzernen nicht noch mehr Kohle indirekt hinterherzuschmeißen, die ihr Geld komplett mit fremdem Content verdienen.

    Die Differenzierung im digitalen Raum zwischen "kommerziell" und "nicht kommerziell" ist so gut wie unmöglich, da ja eigentlich fast alles auf großen Plattformen stattfindet, die ganz klar gewinnorientiert arbeiten.

    Es hat sich vieles getan, auf Dosenbier gibt es jetzt Pfand,
    aber die meisten von uns leben noch, das war nicht immer so geplant.
    (Koyaanisqatsi)

  • Der Punkt ist aber, dass diese Differenzierung so nicht stattfindet (wie ich es verfolgt habe). Natürlich sehe ich das ähnlich: Wenn jemand mit meiner Arbeit Geld verdient, will ich daran teilhaben.


    Aber wenn das Resultat ist, dass der Normalsterbliche diese Samples nicht mehr verwenden kann (es geht hier nicht um ganze Stücke, wo man sicherlich auch nochmal anders diskutieren könnte), auch nicht unentgeltlich, dann ist das meiner Ansicht nach eine komplett falsche Haltung.


    Denn das Problem ist eben: Man kann nicht ohne weiteres rausfinden, ob das YouTube-Video mit dem Soundschnipsel jetzt kommerziell verwendet wurde oder ein Homevideo ist. Und was ist mit potentiellen Werbeeinnahmen beim Uploader? D


    as Resultat ist eine Struktur, die proaktiv lieber blockt als zulässt. Und das widerrum ist eine Struktur die sehr undemokratisch missbraucht werden könnte. Darum geht es bei den Kritikern: Es sind also gleich zwei Probleme in einem.

    36 (+2)
    Narf.

  • Denn das Problem ist eben: Man kann nicht ohne weiteres rausfinden, ob das YouTube-Video mit dem Soundschnipsel jetzt kommerziell verwendet wurde oder ein Homevideo ist.

    Youtube als Plattform selbst ist per se kommerziell ausgerichtet. DAS ist der Punkt, weniger die Absichten des Uploaders.

    Was die Möglichkeiten von Zensur angeht, bin ich bei dir, allerdings bestünde ja theoretisch auch die Möglichkeit, dass sich unkommerzielle Plattformen finden, auf denen dann alle ihre DIY-Homevideos hochladen können und die sich durch Spenden finanzieren.
    Kommerzielle Medien haben ja ohnehin für sich Möglichkeiten der Zensur, indem sie bestimmte Inhalte dulden und andere nicht. Das sind ja keine staatlichen Organe.

    Es hat sich vieles getan, auf Dosenbier gibt es jetzt Pfand,
    aber die meisten von uns leben noch, das war nicht immer so geplant.
    (Koyaanisqatsi)

  • Ich könnte mir vorstellen, dass das Problem hierbei sein könnte, dass der Künstler immer mehr von seiner Kunst verliert und abtreten muss, ohne Gegenleistung. Früher konnte man Geld mit dem Verkauf von Tonträgern machen. Diese Einnahmequelle wurde den Künstlern Stück für Stück genommen. Durch Spotify verdienen sie kaum mehr was mit ihrer Kunst, der Konsument kriegt für einen verhältnismässig lächerlichen Betrag alles in den Arsch geschoben. Jeder bereichert sich an der Musik und nutzt sie für sich. Dass man da dann irgendwann genauer hinguckt und versucht zu vermeiden, dass man zweckentfremdet wird - nicht nur von Fans oder Konzernen, auch von Gegnern und Feinden - halte ich für legitim. Dass da nun auch Menschen betroffen sind, die naiv einen Song nutzten, gehört dann halt dazu.

  • Für den Endverbraucher wird sich da nicht viel ändern


    Aber das irgendwelche Streamer, Influenza oder ähnliches nutzloses Zeug die einfach nur klauen und damit Kohle machen braucht absolut keiner. Youtube etc rechnen eh über die GEMA ab. Twitch wird das im Endeffekt dann auch tun müssen.


    Ich lade komplette Gigs bei Youtube hoch, da wurde noch NIE ein Video von gelöscht, die werden höchstens Monetarisiert. Das wird auch so bleiben. Youtube ist zu groß als das da wer rangeht

    Es kommt die Zeit
    in der das Wasser wieder steigt...
    Es kommt die Zeit
    in der der Airport wieder brennt...

  • Ich kenn das Thema im Detail nicht. Aber für mich klingt das schon verständlich. Probier mal 8 bis 10 % vom Rasenmäher gratis zu bekommen. Außerdem sind 15 Sekunden bei Musik ganz schön lange. Da könnte man bei Werbung und der Gleichen sehr, sehr viel Geld sparen und die Musiker sehr, sehr viel Geld verlieren.


    Ich habe heute im Supermarkt gefragt, ob ich mir eine Rumkugel aus dem Sackerl nehmen kann... ich wurd a bisserl schief angschaut. Auf die Antwort warte ich immer noch..... 8o

    Auf da Alm gibt´s ka Sünd!

    "… Nimm nichts mit, wir brauchen nichts. Lass alles hier und schmeiß es weg. All die Souvenirs, unsere Biographien.

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  • Ich könnte mir vorstellen, dass das Problem hierbei sein könnte, dass der Künstler immer mehr von seiner Kunst verliert und abtreten muss, ohne Gegenleistung. Früher konnte man Geld mit dem Verkauf von Tonträgern machen. Diese Einnahmequelle wurde den Künstlern Stück für Stück genommen. Durch Spotify verdienen sie kaum mehr was mit ihrer Kunst, der Konsument kriegt für einen verhältnismässig lächerlichen Betrag alles in den Arsch geschoben. Jeder bereichert sich an der Musik und nutzt sie für sich. Dass man da dann irgendwann genauer hinguckt und versucht zu vermeiden, dass man zweckentfremdet wird - nicht nur von Fans oder Konzernen, auch von Gegnern und Feinden - halte ich für legitim. Dass da nun auch Menschen betroffen sind, die naiv einen Song nutzten, gehört dann halt dazu.

    Und trotzdem bieten die Hosen und Ärzte ihre Musik bei Spotify an, bei kleinen Bands man das Nachvollziehn aber bei Bands wie den Hosen oder Ärzte eher nicht so.

  • In dem Kontext passt es ganz gut:


    Der Onlinekanal von Rechtsanwalt Solmecke hat das Kunstfreiheit-Video von Danger Dan rechtlich "analysiert" und wurde dann von Warner "zensiert":


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    Ich glaube kaum, dass Danger Dan ein Problem mit seinen Song- und Videozitaten hatte, aber die große Firma im Hintergrund dann....

    Das ist schon kurios.





    Wo zieht man die Grenze?

    Ich wollte mal ein Homevideo mit von mir gekaufter Musik hinterlegen und konnte es nicht, da das Videoprogramm sein Veto gegen die Musik erhob. Das hat mich schon genervt.

    Ich kann aber auch jeden Künstler verstehen, der seinen Song nicht kostenlos 15 sec bei Frauentausch im Hintergrund hören möchte.


    Wer privat etwas nutzt, sollte nicht eingeschränkt werden. Privat ist aber eben privat und nicht Youtube. Für jede andere Nutzung sollte man ansonsten eben bezahlen.

    NEIN :!:

  • In dem Kontext passt es ganz gut:


    Der Onlinekanal von Rechtsanwalt Solmecke hat das Kunstfreiheit-Video von Danger Dan rechtlich "analysiert" und wurde dann von Warner "zensiert":

    Gerade bei Solmecke kann ich absolut nachvollziehen das Warner da Eingreift, würde ich auch tun würde der was von mir nehmen und fürs Geldverdienen nutzen :D

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  • Gerade bei Solmecke kann ich absolut nachvollziehen das Warner da Eingreift, würde ich auch tun würde der was von mir nehmen und fürs Geldverdienen nutzen

    Man kann es ja doof finden, wenn andere meinen Kram besprechen, aber ein nachvollziehbarer Löschungsgrund ist eine solche Analyse sicher nicht.

    Ob die Solmecke Analyse nun hochwertig oder gar richtig ist, spielt dabei keine Rolle.

    NEIN :!:

  • Man kann es ja doof finden, wenn andere meinen Kram besprechen, aber ein nachvollziehbarer Löschungsgrund ist eine solche Analyse sicher nicht.

    Ob die Solmecke Analyse nun hochwertig oder gar richtig ist, spielt dabei keine Rolle.

    Ich finde sehr wohl das Bands sagen können "Nein! Ich will nicht das der das nutzt um damit Geld zu verdienen"

    Es kommt die Zeit
    in der das Wasser wieder steigt...
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  • Wenn 15 Sekunden von Musik wertlos sind, warum sollte dann das Interesse daran so hoch sein das doch verwenden zu dürfen. Also, haben 15 Sekunden einen Wert. Der Preis obligt dem Künstler und das recht zu entscheiden, wem er was zur Verfügung stellt auch.

    Für mich ist diese Diskussion Bullshit. Eine Frechheit sogar. Für Grundbedürfnisse, wie Pipigehen darf man 50 Cent verlangen und Musik soll gratis sein? Gehts noch? I halt a von Spotify und so nix.

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