[25.03.2022] Scheiss Wessis [7" Single, Download, Stream]

  • Das Lied (also das der Hosen) hat mich zunächst ratlos zurückgelassen. Ähnlich, wie es mir mit "Unter den Wolken" und "Feiern im Regen" ergangen ist - die Parallele wurde hier ja auch schon häufig gezogen. Wenn man so lange nichts von einer Band hört, die einem einfach viel bedeutet, dann stecken einfach wahnsinnig viele Erwartungen dahinter, die sicherlich seitens der Band schwer zu erfüllen sind - zumal sie mittlerweile so viele unterschiedliche Fan-"Sorten" erarbeitet hat. Die wichtigste Erkenntnis solcher Songs ist sicherlich: Die Hosen machen nicht mehr in erster Linie Musik für die Die-Hard-Fans - sondern um Spaß zu haben. Ein Stück weit haben sich die Hosen von ihren Fans emanzipiert, um zu machen, worauf sie Lust haben. Da kann man hier noch so sehr über "Das ist der Moment" quengeln - die Band mag den Song, also ist er fest in der Setlist der Hosen verankert.


    Ich finde immer, man muss das mit einpreisen, wenn man Musik der Hosen im Jahr 2022 für sich bewertet. (Unabhängig davon, ob man das gut oder schlimm findet.) Es bleiben immer noch Nischen für die "alten" Fans ("Urknall", "Alles mit nach Hause"), aber längst ist die Schnittmenge mit den "Event-Fans" deutlich größer, als die der "Wort zum Sonntag" - Jünger. Mir ist bewusst, dass das jetzt keine ureigene, neue Interpretation des Status Quo der Hosen ist, aber mir ist diese Betrachtung doch ziemlich wichtig, denn fast alle Kommentare hier stellen den eigenen Maßstab in den Fokus, was auch seine Berechtigung hat, denn Musik in Kombination mit Fantum ist immer maximal parteiisch. Ich versuche trotzdem immer, auch ein Stück weit die Intention der Band mit in die Gleichung mit einzubeziehen. Campino also steht auf Marteria, Marteria auf die Hosen, sie erleben diese Anekdote ("Scheiß Wessi!") und es entsteht diese Idee. Ich finde das Thema Ossis/Wessis maximal öde, da deutsche Erzählungen eigentlich immer entweder im Nazi-Kosmos spielen oder eben entlang der einstigen Mauer. Aber, wie oben geschrieben, die Intention kann ich nachvollziehen. Das Timing ist sicher maximal unglücklich, wie die Hosen selbst im Newsletter zugegeben haben, denn gerade jetzt erscheint nichts banaler als die Befindlichkeiten eines vor über 30 Jahren vereinten Landes, das in maximalem Frieden und Wohlstand (im Vergleich zum Rest der Welt) lebt. Musik ist halt nur bedingt ein aktuelles Medium und hinkt immer ein wenig der Realität hinterher, gerade, wenn wie bei den Hosen, ein ganzer Tanker bewegt wird, ehe ein fertiges Album oder ein fertiger Song im Hafen ankommt. Und ich muss an dieser Stelle auch sagen, dass ich die Hosen durchaus dafür mag, dass sie nicht alle 12 Monate das Gefühl haben, sie müssten sich jetzt zu diesem oder jenem musikalisch verhalten.


    Das Riff, das sich in den Teasern andeutete, fand ich durchaus spannend. Umso überraschter war ich dann, wie schnell es im eigentlichen Song ins Marginale vertrieben wird, sobald der Konserven-Sound und Campinos Sprechgesang übernimmt. Der erste Hördurchlauf war dann, diplomatisch formuliert, sehr zwiespältig. Ich mochte den Gesang sogar, mochte auch den Witz an der einen ("Lesen die Bild / aber nur das Feuilleton") oder anderen ("Den Krebs könnt ihr behalten / in eurer Charité") - nur werden Gags in einem Song nicht besser, je öfter man sie hört. (Ein ähnliches Schicksal erleidet in meiner Playlist denn auch "Wie viel Jahre", auch wenn ich den Song sehr mag.) Und vieles im Text ist auch handwerklich eher dünn ("Pillenstadt" als Reim auf "Autostadt", "Mit Leipzig und Seele"), da hat Marteria mit "Asbest as you can" und der Tesla-Pointe ein bisschen besser abgeliefert. Auch erging es mir so, dass ich mich nach fünf, sechs Durchläufen ein paar Stunden später überhaupt nicht mehr an den Refrain erinnern konnte; der wirkt auf mich auch nach wie vor wie eine gute Skizze, aber nicht zu Ende gedacht, eine ordentliche B-Seite.


    Mittlerweile habe ich mich mit dem Song angefreundet, kann mir aber nicht vorstellen, dass er bei mir ähnlich wächst wie "Wannsee" oder "Unter den Wolken", die ich bis heute immer gerne auspacke, sobald die Sonne rauskommt. Was bleibt unterm Strich? Die Hoffnung, dass unter den wenigen weiteren neuen Songs auf dem Jubiläums-"Album" noch zwei, drei Perlen sind, die mich komplett abholen. Mehr will ich nicht. Denn ich will nicht, dass mir Veröffentlichungen der Band irgendwann egal werden. Davor habe ich am meisten Angst.

  • Natürlich gibt es regionale Unterschiede. Natürlich ordnet man ein. Aber ich glaube die verwendeten Begriffe könnten einfach schwierig sein. "Ossi" oder "Ostler" ist leider bei vielen negativ konnotiert. Ich habe keine Idee, wie man das verändern könnte, aber Fakt ist, dass es leider noch immer so ist.

    Das Saarland gehört seit 1957 wieder zur Bundesrepublik (und wurde davor ja "nur" von Frankreich verwaltet, Französisch war nie Amtssprache) und trotzdem werden wir heute (insbesondere von (Rheinland-)Pfälzern (die sich ja selbst innerhalb eines Bundeslandes uneins sind) und insbesondere dann, wenn man sportlich in Rivalität aufeinander trifft) noch als "Saar-Franzosen", "Rucksack-Franzosen" oder gleich ganz als "Franzosen" bezeichnet.

    Und das selbst von Personen, bei denen sogar die (Groß-)Eltern zu dieser Zeit noch flüssig waren und absolut nie was damit zu tun hatten.

    Von daher kann ich es verstehen, dass man sich über eine Bezeichnung ärgert, wenn man selbst zu den so bezeichneten gehört.

    Aber wenn selbst da nach immerhin 65 Jahren noch drauf rum geritten wird oder sich ein Bindestrich-Bundesland innerhalb der beiden Teile nicht ganz grün ist, sind 30 Jahre und das sogar innerhalb einer ganzen Republik noch gar nichts.

    Leider.


    Edit sagt: dass leere Zitatfeld ist überflüssig, geht aber grad nicht weg.

    Wer keine Angst vorm Teufel hat, braucht auch keinen Gott!


    Nr. 5 lebt - wir sehen uns wo die eisernen Kreuze stehen...

  • Wenn jetzt schon "Vincent Sorg" selbst bei den Songs mitwirkt ist das eine Bankrotterklärung der Band. Wenn man nichts mehr zu sagen hat und andere das übernehmen müssen sollte man wirklich langsam dran denken aufzuhören...


    Wann taucht Dieter Bohlen da mit auf?

    Sorg ist als Schreiber der Musik u. a. gelistet; er hatte allerdings auch vorher schon bei der Musik anderer Songs seine Finger mit im Spiel wie bspw. "Oberhausen" ,"Alles passiert" oder "Wannsee".

    Es ist töricht zu glauben, dass die AfD gewählt wird, obwohl es sich um eine rechtsextreme Partei handelt.

    Die AfD wird gewählt, weil es sich um eine rechtsextreme Partei handelt!!!

    ...und das macht die Situation so gefährlich!

  • Ich finde den Song echt gut. Vergleiche mit den Jahren zuvor sind für mich nicht wichtig. Seit 31 Jahren höre ich diese Band, ich habe keine Angst, dass ich enttäuscht werde. Dafür gab es so viele Knaller, auf jedem Album sind echt gute Songs.

    Wenn ein Lied nicht gefällt, dann ist das so. Wir werden alle älter, Prioritäten ändern sich und auch manche Einstellung. Songs aus den 80ern haben ihren Charme, wie auch Songs von jetzt. Jeder muss sich das selbst aussuchen. Aber diese tolle Band bringt noch immer so viel Freude und ob sie 2023 aufhören oder nicht, sie haben mich Jahrzehnte begleitet und die wenigen Stücke, die mir echt nicht gefallen, muss ich ja nicht hören. Dafür die echt coolen Songs umso lauter!

  • Kann mir wer die Zeile "Mit Leipzig und Seele im Osten versteckt" erklären?

    Habe bisher immer "Mit Leipzig Juwelen im Osten versteckt" verstanden, was auch wunderbar passen würde.

    Campi: "Jetzt muss ich mal von Amateur zu Amateur fragen: Wollen wir hier stimmen an dieser Stelle? Breiti muss die Gitarre wechseln! Das hätten wir uns früher nicht erlaubt so ne Scheiße!"
    Andi: "Früher hatte Breiti nur eine Gitarre!"


    S036, 2. September 2009

  • Finde den Biss im Text super.

    Diese Ironie der Überheblichkeit mancher Wessis gegenüber den Ossis. Ein grundsätzlich elitäres Verhalten (waren lange vor euch da), total von oben herab. Dann super gönnerhaft (zahlen Solidaritätszuschlag, ...sind immer für euch da). Campino nimmt diese arrogante Haltung auseinander und bringt sie auf den Punkt, sehr ironisch.


    Der Rotkäppchen-Sekt "schmeckt gar nicht so schlecht"; hier wieder ein Herunterspielen. Man könnte auch "schmeckt gut" sagen und Kredit zollen können, doch die Überheblichkeit lässt es selbst dann nicht zu, wenn man sich eingestehen muss, dass im Westen nicht alles super läuft.


    Die Zeilen, in denen Campino "Mein Haus, mein Boot, mein Auto"-mässig mit allem auftrumpft, was der Westen so zu bieten hat - und dann vernichtend auf den Osten mit "Krebs in eurer Charité" verweist, als gäbe es nur das Geschwür im Osten.

    Da passt auch die "Behauptung", der Westen hätte keine AfD, dass das ein rein Ost-Deutsches Problem wäre. Natürlich ist dem nicht so.


    Da ist enorm viel Biss und Selbstkritik drin, natürlich mit viel Ironie und Sarksamus.

  • Ohne die hohen Wahlerergbnisse der AfD Nazis in den östlichen Bundesländern wäre die "Partei" längst weg...

    Es kommt die Zeit
    in der das Wasser wieder steigt...
    Es kommt die Zeit
    in der der Airport wieder brennt...

  • Gibt's denn eine Übersicht der Songs, bei denen Sorg als "mitschreiber" genannt wird?

    Auf die schnelle fallen mir nurF eiern im Regen und Scheiss Wessis ein. Habe da allerdings fast nie drauf geachtet.

    Auf Ballast: "3 Kreuze" und "Alles hat seinen Grund" (beteiligt) und "Oberhausen" (da steht er sogar allein für die Musik dabei).


    Außerdem hat er ja bei "Altes Fieber" im Entstehungsprozess recht deutlich mitgewirkt, da reichte es aber offenbar nicht für einen Credit. Insofern gehe ich davon aus, dass da, wo er genannt wird, schon mehr als ein paar Tips und Anregungen dabei waren.

    Auf der Laune ist er beteiligt an "Alles mit nach Hause", "Wannsee" und "Alles passiert", sowie an allen Zwischenspielen der Learning English 2, aber das ist ja auch eher Pausenmusik.

    Es hat sich vieles getan, auf Dosenbier gibt es jetzt Pfand,
    aber die meisten von uns leben noch, das war nicht immer so geplant.
    (Koyaanisqatsi)

  • Bei die Ärzte gabs sowas mit Produzenten ja auch um 1987, wo die Band mit Songs ins Studio kam und Micky Meuser sagte "Das ist Kacke, das nehm ich nicht auf"


    In der Rückschau hatte er auch ziemlich recht damit. BRigitte, Du und ich und Walter, Ein Mann mit Gipsbein, ABzweig Leipzig, Bernd hat es gemacht. sind halt auch einfach nicht gut (obwohl ich Bernd und Leipzig mag) und da gabs wohl noch mehr Songs die noch schlechter waren. Daher gabs eben nur das 1987er "Best Off"


    Das kann ein Produzent machen, aber das der Produzent Songs mitschreibt kenn ich echt nur von irgendwelchen Technodingern und DSDS krempel...

    Es kommt die Zeit
    in der das Wasser wieder steigt...
    Es kommt die Zeit
    in der der Airport wieder brennt...

  • Ich frage mich gerade wie es bei Metallica in Zeiten von Some kind of Monster war. Bob Rock war Produzent und hat in dieser Zeit auch Bass gespielt nach dem Ausstieg von Jason bis Rob dann die Nachfolge übernommen hat.

    Narren sind bunt und nicht braun!

  • Ich frage mich gerade wie es bei Metallica in Zeiten von Some kind of Monster war. Bob Rock war Produzent und hat in dieser Zeit auch Bass gespielt nach dem Ausstieg von Jason bis Rob dann die Nachfolge übernommen hat.

    Du hast dir die Frage fast schon beantwortet. Auf St. Anger wurden offiziell alle Songs von Hammett, Hetfield, Rock, Ulrich geschrieben.
    Da Rock dann ja zu der Zeit auch Mitmusiker und nicht nur Produzent war, leuchtet das ja auch irgendwo ein.

    Es hat sich vieles getan, auf Dosenbier gibt es jetzt Pfand,
    aber die meisten von uns leben noch, das war nicht immer so geplant.
    (Koyaanisqatsi)

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