Wenn die Toten Hosen Hermann Hesse vertonen
CD „Ballast der Republik“ zum Jubiläum
Von unserem Reporter
Dominik Hechler
M Düsseldorf. Es ist ein ganz besonderes Geschenk, das Andreas Frege – besser bekannt als Campino – und seine vier Mitpunker von den Toten Hosen ihren Fans zum 30-jährigen Bandjubiläum in diesen Tagen machen. Sie befinden sich auf der Magical-Mystery-Tour durch die Wohnzimmer ihrer Anhänger, um gemeinsam mit ihnen den runden Bandgeburtstag zu feiern. Dabei plärrt Campino aber nicht nur die alten Klassiker wie „Bonnie und Clyde“ oder „Hier kommt Alex“ ins Mikrofon, sondern auch Songs der gerade neu erschienenen Platte „Ballast der Republik“. Und das zu Recht: Denn das 15. Studioalbum der Toten Hosen ist ein absolut gelungenes.
Der Titelsong „Ballast der Republik“ gibt das Tempo der Platte vor. Darin beschäftigt sich Campino mit dem Stand der Dinge in der Bundesrepublik und gelangt als Fußballfan zu der Erkenntnis: „Wir haben keine Zeit mehr/Für Politik und Religion/Wenn wir an Götter glauben/Dann tragen sie Trikots.“
Die erste Singleauskopplung des Albums, „Tage wie diese“, baut sich zu langsamen Gitarrenklängen auf, um ihren Höhepunkt im hymnenähnlichen Refrain zu finden. In den Songs „Altes Fieber“ und „Zwei drittel Liebe“ drücken die Toten Hosen dann wieder mächtig aufs Rock’n’Roll-Gaspedal, und Campino schreit dem Zuhörer wie in guten alten Zeiten seine Texte entgegen. Aber der Frontmann kennt auch leise Töne. In der Ballade „Draußen vor der Tür“ arbeitet der 49-Jährige das schwierige Verhältnis zu seinem Vater auf: sehr authentisch – und vor allem ergreifend. Aber natürlich darf auf dem abwechslungsreichen Album auch eine Fußballhymne à la „Auswärtsspiel“ nicht fehlen. Sie heißt ganz lapidar: „Schade, wie kann das passieren?“
Doch nicht nur das Album „Ballast der Republik“ ist hörenswert, auch die mitgelieferte Bonus-CD „Die Geister, die wir riefen“ verdient Anerkennung. Auf dieser Platte covern die Toten Hosen Lieder alter Musikerkollegen und verneigen sich etwa vor Falcos „Rock me Amadeus“ oder dem „Model“ von Kraftwerk. Das Cover von „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten lädt dann geradezu zum Mitgröhlen ein. Und auch die Vertonungen von Hermann Hesses „Im Nebel“ und Erich Kästners „Stimmen aus dem Massengrab“ gelingen unpeinlich: Die Gedichte könnten eher waschechte Hosen-Songs sein. Mit diesen beiden Tonträgern haben sich die fünf Düsseldorfer selbst – aber vor allem ihren Fans – ein würdiges Geburtstagsgeschenk gemacht.
Nahe Zeitung vom Dienstag, 8. Mai 2012, Seite 25 (0 Views)