Beiträge von Karl Arsch

    "Die besten Lieder aller Zeiten" (C90, zusammengestellt vielleicht Anfang der 2000-er):


    01. Lou Reed -Perfect day (1972)
    02. Wolf Biermann -So soll es sein, so wird es sein (1975)
    03. Ramones -Havana affair (1976)
    04. The Clash -What's my name (1977)
    05. KFC -Wie lange noch? (1980)
    06. Die Toten Hosen -Wir sind bereit (1982)
    07. Dead Kennedys -Riot (1982)
    08. Razzia -Bis der Arsch im Sarge liegt (1982)
    09. Die Toten Hosen -Armee der Verlierer (1983)
    10. Slime -Untergang (1983)
    11. Ausbruch -Kämpf um Dein Recht (1984)
    12. L'Attentat -Wo stehst Du? (1987)
    13. Nick Cave & the Bad Seeds -Weeping song (1990)
    14. Green Day -Welcome to paradise (1991)
    15. Cripple Bastards -Stimmung (1993)
    16. Compulsion -Mall monarchy (1994)
    17. Blue Öyster Cult -Don't fear the reaper (1994)
    18. Negu Gorriak -Potroengatik (1995)
    19. H.A.F. -Skabie (1997)
    20. Rancid -Black lung (1998)
    21. District -Safety pin stuck in my heart (1998)
    22. Red Hot Chili Peppers -Other side (1999)
    23. Atari Teenage Riot -Revolution action (1999)
    24. Commerzkrank -Ich (1999)
    25. Pax Americana -Luonnon ja ihmisen ehdoillah (1999)
    26. Graue Zellen -Dieser Sommer (2000)
    27. Tagtraum -Ich will die Welt... (2000)
    28. Einstürzende Neubauten -Sabrina (2000)

    Ich finde das Album recht gut, bis auf die Balladen, die finde ich auf diesem Album durch die Bank schlecht bis unerträglich.
    Man merkt der Band den Einfluss von außen (Marteria?) an. Über weite Strecken klingt die Band (v.a. das Songwriting), als ob sie aus einer Verjüngungskur käme. Vielleicht auch deshalb, weil ich teilweise den Eindruck habe, dass die Kompositionen teilweise nicht wirklich ausgereift sind oder zumindest etwas mehr Feinschliff vertragen könnten. Das Ganze wirkt damit irgendwie spontaner, frischer, jünger wie vieles von den letzten Alben, damit vielleicht aber auch weniger abgeklärt. Viel dieser Entwicklung schreibe ich dem Einfluss von außen (Marteria und Konsorten) zu. Ich finde den Einfluss aber jetzt auch nicht schlimm. Das Ergebnis kann ich mir schon anhören. Allerdings nicht die Balladen: Diese zeigen die Hosen von einer Seite, die ich noch nie an ihnen mochte und die auch erst irgendwann dazukam (so ab der „Unsterblich“): Ich hasse Campinos Familienaufarbeitungsscheiß: Den soll er mit seinem Psychologen klären und nicht auf die Welt loslassen. Ich will nichts mehr über das Haus seiner Familie in Mettmann hören. "Geisterhaus" finde ich sogar noch schlimmer als "Unser Haus". Ich will auch keine Lieder mehr über den Tod von Bekannten und Verwandten hören, zumindest nicht, wenn sie bloß so plakativ und billig darstellen (wie hier z.B. den Ablauf einer Beerdigung). Und nur weil der Manager Jochen Hülder gestorben ist, muss man darüber auch kein Lied machen, also so eins zu eins das Offensichtliche erzählen.
    Ich weiß nicht, was viele gegen die Produktion haben. Die Gitarren kommen klar und satt. Auch das Schlagzeug bumst meist gut. Ich kann den Sorg zwar auch nicht leiden, aber einen guten Sound macht er schon, gerade auch bei den Hosen, und hier seitdem er an Bord ist.
    Zu Campino: Auch mir gefällt seine Stimme wieder besser wie auf vielen der letzten Alben. Dass er noch so schreien kann wie auf der „Horrorschau“ oder der „Kreuzzug“ hat mich gewundert. Bis auf die Balladen klingt er teilweise richtig gut. Ist euch auch aufgefallen, dass er immer wieder mal die letzten Silben von Wörtern verschluckt? Z.B. sagt er „Dämon“ statt „Dämonen“. Gefällt mir nicht, klingt für mich so, als ob er hier etwas Unverwechselbares in der Aussprache etablieren will, klingt aber gewollt jugendlich (?) und eher peinlich.
    Die Reggae-Einschübe finde ich übrigens auch allesamt gelungen.

    Zu den Songs:
    - "Urknall" bumst ganz gut los. Textlich von der Bauart irgendwie anders als früher, irgendwie "moderner" (Einfluss von Marteria?); gefällt aber, klingt irgendwie wie ein (viel) besseres "Und wir leben", an das es auch textliche Reminiszensen gibt. Was „Urknall“ von letzterem abhebt, sind auch die tollen Melodiebögen.
    - "Alles mit nach Hause": bockstark, grandios - für mich der Hit des Albums; wäre schön, wenn das die nächste Single würde: Hammersong!
    - "Wannsee": gutes Stück; Richtig stark finde ich den einleitenden Reggae-Beat. Der Hauptteil des Songwritings ist sicher nicht von Campino, klingt stark nach maßgeblichem Einfluss von seinen Hip Hop-Freunden und passt irgendwie auch nicht zu den Hosen. Die Aversionen gegen das Stück kann ich dennoch nicht verstehen. Es gibt hier auch keinen "Elektro-Beat", wie hier viele schreiben. Die Basis ist ein ganz normaler Beat mit Schlagzeug, dazu einen Offbeat mit Orgel, plus diesen weiteren genial bearbeiteten Orgelsound, der das Lied einleitet (alles ganz normal im Reggae). Ein "Elektrobeat" ist das sicher nicht. Abgesehen davon finde ich es gerade gut, dass sich die Hosen eher an einem normalen Reggae-Beat orientieren, als an diesem Hobbeldiebobbel-Ska-Punk-Gedudel, das immer noch angesagt zu sein scheint und auch hier über mehr Glaubwürdigkeit zu verfügen scheint (= eigenartig). Nicht ganz gelungen finde ich den Übergang von Strophe in den schlagermäßigen (hier mal nicht negativ gemeint) Refrain. Strophe und Refrain wirken irgendwie, als ob das zwei verschiedene Teilen seien, die aufeinandergepfopft wurden, ein bisschen wie Fremdkörper. Wird aber von Hören zu Hören besser – der Übergang passt schon noch. Die gesungene Bridge in der Mitte ist dann auch überhaupt nicht gelungen und dann tatsächlich Fremdkörper. Nicht wirklich ausgereift das Ganze - unter dem Strich dennoch ein ganz gutes Lied.
    - "Unter den Wolken": finde ich nachwievor ein überdurchschnittlich gutes Lied, ein melodiöser Mitgröhler, der schöne Stimmung verbreitet. Allerdings nutzt er sich schon schnell ab. Es wurden ja hier im Forum Bands genannt, die bei der Komposition Pate gestanden haben könnten. Diese Einflüsse sind vielleicht auch nicht von der Hand zu weißen. Aber: Nicht genannt wurden die Manic Street Preachers. Mich hat der Song (also Vorspiel und Strophe) stark an diese erinnert. Und übrigens: Das Schlagzeug muss hier genau so (sic!) sein.
    - "Pop und Politik": erinnert vom musikalischen Aufbau an "Du lebst nur einmal (vorher)", ist allerdings unfertiger. Trotz des unfertigen Songwritings und der eher unfertigen provisorischen Komposition gefällt das Stück unter dem Strich doch ganz gut. Geil, wie sich Campino die Seele aus dem Leib schreit; zum Text; Ich mag es zwar immer, wenn die Hosen gegen die ganzen Klugscheißer und Arschlöcher, die sie anhaten, konfrontativ treten. Der Text ist dennoch peinlich, weil er beweist, dass Campino, die Kritik, die an ihm und den Hosen geübt wird, schlichtwegs nicht versteht. Die Hosen inszenieren sich hier als unbequeme und politische Band, die gegen einen apolitischen Zeitgeist das Maul aufmacht. Die Kritik an den Hosen bringt aber eben genau das nicht vor. Die Kritik kommt nämlich tatsächlich aus der Ecke, die gegen den apolitischen Zeitgeist antritt, und sie wirft den Hosen nicht ihre Subversivität vor, sondern im Gegenteil ihre staatstragende, bürgerliche und naive Haltung in politischen Fragen (z.B. die Appelle an Merkel und Roth in Bezug auf Entwicklungspolitik und Asylrecht). Sie sind geradezu eins geworden mit der herrschenden Klasse und sie sprechen auch so (sind halt noch ein bisschen liberaler als vielleicht die CSU). Und da die Hosen schon einen Background in einer linksradikalen Szene haben, die auch ihr Sprungbrett war, müssen sie sich das schon auch gefallen lassen, als die deutschen Bonos und Geldofs. Von Campinos Kommentaren zur Politik (gerade wieder aktuell) brauchen wir ja gar nicht erst anfangen.
    - „Laune der Natur“: wieder ein Ohrwurm; toller Reggae-Beat mit ein paar Dub-mäßigen Effekten super reingemischt; dazu dann Campinos geiles einleitendes Geschrei, ich fühle mich in die Kreuzzug-Zeit zurückversetzt, erinnert an Songs wie „Der Auftrag“ oder den „Dreadlock Mix“ von „Mehr davon“: experimentell, aber es bleibt ein typischer Hosen-Song, dazu tolle Melodien; ein toller Mitgröhlchor und selbstverliebte, anmaßende Lyrics (u.a. „Wir sind die neue Hochkultur“, „überall nur unsere Spur“): So liebe ich die Hosen. Geiler Midtempo-Song! Viel besser als der Midtempo-Stadiondreck, den die Hosen in den letzten 15 Jahren teilweise veröffentlicht haben!
    - „Energie“: guter Anschluss, ganz guter Midtempo-Track, kommt aber nicht an „Laune der Natur“ ran, wieder gute Mitgröhlchöre; Campino schreit sich die Seele aus dem Leib wie zu „Horrorschau“- und „Kreuzzug“-Zeiten, grelle Gitarren; Musik natürlich anders, „moderner“, aber schon noch schön auf die Fresse und voller Lebensfreude; kann man machen;
    - „Alles passiert“: völlig schlagereske Ballade; berührt mich auch lyrisch überhaupt nicht; Von Stücken dieser Bauart haben die Hosen mittlerweile zahlreiche veröffentlicht, leider v.a. auch auf Alben, wo sie wertvollen Platz wegnehmen. Es geht allerdings noch schlechter, wie sich noch zeigen wird.
    - „Die Schöne und das Biest“: klingt wie eine Mischung aus Frank Z.s Soloalbum „Alcohol, Tobacco & Firearms“, wo einige Stücke in der Richtung und Stimmung drauf sind (das Album stand garantiert Pate) in der Strophe und im Refrain nach Hosen-Stücken aus den Neunzigern wie „All die ganzen Jahre“, „Niemals einer Meinung“ und ganz stark noch nach einem anderen anderen, das mir gerade nicht einfällt: Aber das Ergebnis überzeugt: ein richtig starkes Lied. Minuspunkte gibt es nur für Teile der Lyrics, die, naja, ein bisschen klingen, als ob sie von Ahnungslosen geschrieben wurden. Niemand sagt z.B. „Pistole“. Aber: Von welchem Hosen-Lied kommt mir nochmal die Stelle des Übergangs vom Refrain in die Strophe bekannt vor? Ich komme nicht drauf.
    - „Eine Handvoll Erde“: die beste der Balladen auf dem Album. Wirklich berühren tut sie mich aber dennoch nicht. Das bloße Wiedergeben und Darstellen eines Rituals (hier einer Beerdigung) hat schlicht keine berührende und ergreifende lyrische Tiefe.
    - „Wie viele Jahre (hasta la muerte)“: was für ein geiles Riff zum Einstieg, Strophe auch gut, wie wir es schon oft von den Hosen gehört haben, und dann so ein Refrain! Das kann doch nicht ihr Ernst sein. Wolfgang Petry, ick hör dir trapsen. Wie kann man nur einen so starken Song mit so einem Schlagerrefrain verhunzen? Schade! Erinnert mich von der Machart stark an diesen einen Song vom letzten Album: „Vogelfrei“, das auch einen Refrain hat, der von Wolle Petry stammen könnte.
    - „ICE nach Düsseldorf“: jetzt kein riesen Highlight, aber schon ganz gut! Klar, der Kraftklub-Einfluss nervt oberhart (wie kann man sich überhaupt als Mittfünfziger, die in der coolsten aller Subkultur sozialisiert worden sind, von solchen Lappen beeindrucken lassen?), aber der Refrain passt dann schon wieder. Toll das Ende: So haben sie früher immer ihre Konzerte beendet.
    - „Geisterhaus“: Das schlägt dem Fass den Boden aus. Unterirdisch! Schwach angefangen und dann nicht nur stark nachgelassen. Gerade im Refrain bin ich von jeder Note, die Campino singt peinlicher berührt als von der vorherigen. Das ist ja nicht auszuhalten und treibt mir die Schamesröte ins Gesicht. Und der Text erst: Ich will nichts mehr wissen von Campinos Familien- und Lebensaufarbeitungsscheiße. Das leerstehende Haus seiner Familie in Mettmann ist mir scheißegal. Das ist kein großer Stoff für einen Roman. Er soll das endlich begreifen. Noch beschissener als „Unser Haus“, „Nur zu Besuch“ und „Draußen vor der Tür“ zusammen; pseudotiefer und -bedeutungsschwangerer Schlager der schlimmsten Sorte. Und was soll der Scheiß davon, dass man sich Aberglauben bewahren und nicht mehr loslassen soll? Eine Frechheit übrigens, sich für dieses belanglose Stück bei Isabel Allendes „Geisterhaus“, der großer literarischer Stoff ist, zu bedienen.
    - „Lass los“: starker Song aus der Kategorie „unglückliche Liebeslieder“, worin die Hosen sowieso eine Hausnummer sind und bereits eine ganze Tradition starker Hymnen begründet haben; gefällt sehr, sehr gut!
    - „Kein Grund zur Traurigkeit“: wirklich sehr bewegend; Das, was Campino mit seinen ganzen persönlichen Texten versucht und womit er sich tiefer und tiefer in die Scheiße reitet, schüttelt Wölli hier locker aus dem Ärmel: ein sehr ergreifendes und bewegendes persönliches Stück über das eigene Leben (zum Thema Abschied). Dass Wölli mittlerweile tot ist, verleiht dem Stück natürlich eine zusätzliche Tiefe. Aber ich finde das einen schönen Umgang, das Stück in diese Richtung zu münzen: Abschied, hier: der Tod, aber man hatte schöne Zeiten zusammen, also kein Grund zur Traurigkeit; Und: Wölli hat hier wirklich eine richtig starke Stimme, klingt wirklich nach Johnny Cash. Campino stinkt ganz schön gegen Wölli ab. Wölli war wirklich ein klasse Typ, keiner, der sich in den Medien sonnte, aber dennoch das Leben eines Rockmusikers lebte und sich dabei die Mentalität eines Malochers, der frei hat, bewahrte: geile Zeile: „Wenn ich lange genug träume / Meine Fantasie wird fett / Bringst Du unsere Kids zur Schule / Und kommst nochmal ins Bett“ - was für ein Privileg, nicht arbeiten zu müssen... Die Frau bringt die Kinder in die Schule, während man noch im Bett lümmelt...

    Der Kondomhersteller "Fromms" hatte die Damenwahl-Tournee gesponsort, nicht Beate Uhse. Im Rahmen dieses Sponsorings wurden jeden Abend ein paar hundert Kondome verteit.
    Der Witz, der dahinter steckt: Die Hosen haben jahrelang in Interviews erzählt, sie hätten aus Witz in jedes Zehnte ein Loch gepiekst.

    Also, als jemand, der bei Biolek im Fernsehen einen Schweinebraten zubereitet, hat er mir besser gefallen. U.v.a. dann in Anarchopunkfanzines, deren Herausgeber die Hosen sowieso nicht leiden konnten, zu lesen, wie schlimm das sei.

    Genau dieses Anspruchsdenken meine ich.
    Hier sind doch nur ein paar Leute beleidigt, dass sie selber nicht dabei sein dürfen, und deshalb gönnen sie es den Leuten nicht, die dabei sind. Letztere können wenigstens die Fresse halten. Das zeichnet sie sicher auch aus.

    Was soll denn daran befremdlich sein, dass ein paar Leute an den Hosen näher dran sind als z.B. ihr? Die waren halt mal nette Gastgeber. Ich werte sowas eher als Loyalität der Hosen gegenüber den Kollegen. Wie kann man sich denn darüber aufregen?
    Außerdem verstehe ich nicht, was das ganze Rumgemecker soll. In den Neunzigern waren MMT-Gigs meist, oder zumindest häufig, Gigs in mittelgroßen Clubs unter falschem Namen.
    Wer gibt Euch denn überhaupt das Recht, hier ein Anspruchsdenken zu entwickeln?
    Was die Presseanwesenheit etc. angeht: Die Hosen sagen ja immer, Ihr kriegt was von uns (also Konzert), und wir von Euch (also PR für das neue Album).