Schon seit Jahren will ich hier mal reinschreiben, nu ist das Datum wieder knapp vorbei, es zählt aber dennoch so halb. Vorweg, es geht hier eher um eine besondere persönliche Situation als um ein besonderes Konzert.
Der 7.6.2018 in der Waldbühne war sicherlich eins der denkwürdigsten Hosenkonzerte, auf denen ich jemals war. So wie auch 2009 in der Waldbühne, aber aus völlig anderen Gründen.
2018 hab ich noch in Wyoming gelebt und 2017 war somit das erste Hosenkonzert in Berlin seit 2005, das ich verpasst hatte (was wohl heißt, dass ich Freitag der 13. dann wohl niemals live erleben werde, seufz), weil es zu einem Zeitpunkt stattfand, an dem ich noch nicht im Weihnachtsurlaub war. Gleichzeitig war es eindeutig, dass die Hosen zu diesem Zeitpunkt ganz schön was am live wieder gutmachen waren, dass ihnen in der KDR Phase etwas abhandengekommen war.
Die Laune der Natur war auch ein ziemlich intensiver Soundtrack meiner Zeit damals, unter anderem auch anlässlich eines Roadtrips, den ich damals mit meinen Eltern gemacht habe, insofern war ich eigentlich eh schon sehr auf den zweiten Teil der Tour gehyped, denn Teile des Sommers hab ich damals immer in Berlin verbracht. Vielleicht erklärt es auch, warum ich als einziger hier den Song Wannsee mag
Und dann kam alles ziemlich anders. Mein Vater ist den Großteil seines Erwachsenenlebens ziemlich krank gewesen, 2x Leukämie, Chemo, Folgeschäden - lange Zeit hatte er eine Lungenfunktion im niedrigeren noch zweistelligen Bereich, musst damit trotzdem noch jede Woche zwischen Berlin und Mannheim pendeln, war also ziemlich fertig in jeder Hinsicht und wie er das all die Jahre ausgehalten hat, wird mir vielleicht immer ein Rätsel bleiben. Irgendwann Ende 2015 hat er dann nach sehr langem Warten eine Lungentransplantation erhalten, die ihm plötzlich nochmal ein zweites Leben ermöglicht hat. Eine Fitness wie seit der Jugend nicht mehr, dementsprechend lief es dann auch in allen Lebensbereichen auf einmal wieder richtig. 2017 haben wir seinen 60. gefeiert, ich bin sogar extra für ein Wochenende über den Teich (unter normalen Umständen würde ich sowas eher nicht tun) dafür. Ein Jahr später habe ich am Telefon zum letzten Mal seine Stimme gehört, zwei Tage später kam es zu einer Lungenblutung, mehrfacher Reanimation, künstliches Koma und, wie sich später rausstellte, ein komplett irreparabler Hirnschaden, sodass wir uns entschieden, die Geräte abzustellen.
Bis dahin war es allerdings ein langs Bangen und Zittern, Versuche des Aufweckens, irgendwann zwischendurch erneuter Kurztod und Reanimation - und all das aus buchstäblich 5000 Meilen Entfernung. Als ich Anfang Juni endlich wieder rüber fliegen konnte, war bereits klar, dass es nur noch ein Abschiedsbesuch mit einer bewusstlosen Person sein würde. Wegen Flugverzögerung, Unwetter und ähnlichem hing ich dann noch ein ganzes Wochenende in London fest, bei jedem Handybimmeln mit der Angst, dass die Nachricht jetzt käme. Am Ende hat der Körper ohne Geräte dann noch lange durchgehalten. Am 3.6. hab ich ihn dann doch noch mal gesehen, regungslos aber physisch noch am Leben, am 6.6. in der Nacht ist es dann passiert und ein elendiger, zweimonatiger Kampf für alle beteiligten war zu Ende.
Und genau an diesem Tag sollte dann der Hosen Gig sein, für den Tag darauf hatte ich auch für meine Mom eine Karte besorgt gehabt. Jetzt kann man sich natürlich fragen, ob das ein Tag ist, an dem man auf ein Konzert geht. Für mich war relativ schnell klar, dass ich hingehen würde. Das, was in der Nacht passiert war, stand schon vorher fest. Die zwei Monate davor waren ein einziges Gefühlschaos inklusive der five stages of grief. Jetzt konnte man nicht mehr viel tun, als irgendwie die Sau rauszulassen und wo, wenn nicht bei meiner Lieblingsband würde das passieren?
Mein Freund (und Bassist) Carl war zum ersten Mal dabei und hat die Situation gut abgefedert und wir haben dann das gemacht, was man in solchen Situationen eben macht: Uns die Kante gegeben. Die Donots haben wir uns noch vom Rang gegeben, weil wir beide nicht wirklich Fans sind, zu den Hosen sind wir dann runter und steil gegangen wie sonst vielleicht noch nie. Es gab einen feinen Moschpit, die Stauborgien der Waldbühne sind legendär und ich weiß gar nicht, wieviele Literbecher Bier an dem Tag in meinen Schlund gewandert sind - was ich sehr wohl weiß ist, dass ich ein ganz klein wenig an das Ende des Innenraums gekotzt habe.
Die Setlist mag sich auf dem Papier vielleicht aus heutiger Sicht nicht überragend lesen, thematisch waren aber natürlich einige Volltreffer dabei, aber auch ein paar andere denkwürdige Momente. Alles passiert und Alles mit nach Hause als Highlights der Laune, Wort zum Sonntag, Unsterblich, das ich seit jeher immer nur gehört hab wenn es mir gerade schlecht ging, Draußen vor der Tür war ziemlich heftig (will gar nicht wissen, was bei Nur zu Besuch passiert wäre)... Sonderzugabe nach Ende der Sperrstunde.... Bei Halbstark haben wir kurz Pause auf dem Rang gemacht, sehr zum Amusement einer Frauengruppe, die auch etwas fasziniert waren wie steil wir da gegangen sind.
Unterm Strich war es vom Set her damit vielleicht gerade Mal ein oberer Durchschnitt, für uns war es ein Bombenkonzert im absoluten Ausnahmezustand. Und es war der Tag, an dem mir klar wurde, dass ich das ganze "Bis zum bitteren Ende" ziemlich ernst meine, und dass es an einem derartig beschissenen Tag in einer derartig beschissenen Zeit quasi keinen Ort gibt, wo ich lieber wäre, als auf einem Hosenkonzert...
Am nächsten Tag haben wir dann im Radio von der Absage des 2. Tages erfahren... Den Vorabend ausgenommen war das wirklich ein beschissener Sommer. Den Nachholgig konnten wir dann nicht mehr mitnehmen, da musste ich wieder in die Staaten zurück.