Interpretationsthread zu Ballast der Republik

Zitat von Glückspirat1989

Also ich denke solange es in diesem Land so ist das rechtes Gedankengut in dem Ausmaß vorhanden ist wie das durch zb. Sarrazin unter beweis gestellt wurde ist es falsch
über das internationale ansehen in Deutschland rum zu heulen.

In nahezu jedem anderen Land Europas ist die rechte Kraft um einiges stärker als in Deutschland. Merkwürdig, dass es nur in Deutschland ein Problem darstellt... In Griechenland wollen sie jetzt Tretminen an die Grenzen legen, um die Flüchtlinge und Ausländer an der Einwanderung zu hindern und wir diskutieren hier, ob ein Nazi-Aufmarsch von 300 Leuten das gesamte Land während einer Sportveranstaltung zu Nazis macht...

Deutschland hat einfach eine Sonderstellung, die Ich selbst mehr als genug zu spüren bekomme. Deswegen kann Ich mit dem Text auch zu 100% konform gehen...

Zitat von Totenkopfgitarrist

Zitat von »Totenkopfgitarrist«
In nahezu jedem anderen Land Europas ist die rechte Kraft um einiges stärker als in Deutschland. Merkwürdig, dass es nur in Deutschland ein Problem darstellt...

Das ist vielleicht deine Meinung, dass du das Erstarken rechtspopulistischer, nationalistischer oder rassistischer Parteien in Europa unproblematisch findest. Ich betrachte diese Entwicklung mit großer Sorge, ebenso wie viele andere Menschen, auch in den jeweiligen Ländern.

Zitat von Totenkopfgitarrist

Zitat von »Totenkopfgitarrist«
Deutschland hat einfach eine Sonderstellung

Genau, eigentlich diskturieren wir nur darüber, ob diese berechtigt ist oder nicht. Und ich sage ja. Deutschland ist nunmal das Land, von dem die schrecklichen Taten des Nationalsozialismus ausgingen und ich finde es verdammt gut, dass auch heute noch sensibel mit diesem Thema umgegangen wird. Wenn auch nicht von allen.
Bei den ständigen Vergleichen mit anderen europäischen Ländern im Bezug auf Patriotismus und Nationalismus bin ich eigentlich eher froh, dass das in Deutschland nicht so ausgeprägt ist (aus gutem Grund). Nur weil es woanders so ist, heißt es nicht, dass ich es hier auch so haben möchte.

Mein Fazit: Es gibt diesen "Ballast". Aber meiner Meinung nach völlig zurecht. Ich möchte z.B. nicht erleben, wie Deutschland von einer neuen Patriotismus-Welle erfasst wird. Das könnte übel ausgehen.

Zitat von RunawayTrainDriver

Das ist vielleicht deine Meinung, dass du das Erstarken rechtspopulistischer, nationalistischer oder rassistischer Parteien in Europa unproblematisch findest. Ich betrachte diese Entwicklung mit großer Sorge, ebenso wie viele andere Menschen, auch in den jeweiligen Ländern.

Sorry, Ich hätte das wohl weiter ausformulieren sollen. Ich finde das in jedem Land problematisch, die allgemeine Reaktion ist aber eben so, als würde es dieses Problem nur in Deutschland geben. Wenn die Griechen Tretminen an die Grenze legen wollen, dann ist Ruhe, wenn du als Deutscher aber was gegen nicht-integrierte sozialschmarotzende Ausländer sagst, dann bist du sofort der Nazi...
Und genau das ist für mich in Deutschland die ungerechtfertigte Sonderstellung... Nazis sind überall schlimm, wir Deutschen haben da kein Patent drauf...

Zitat von RunawayTrainDriver

Genau, eigentlich diskturieren wir nur darüber, ob diese berechtigt ist oder nicht. Und ich sage ja. Deutschland ist nunmal das Land, von dem die schrecklichen Taten des Nationalsozialismus ausgingen und ich finde es verdammt gut, dass auch heute noch sensibel mit diesem Thema umgegangen wird. Wenn auch nicht von allen.

Und Ich sage Nein. Wenn englische Strassengangs sich Orden dafür verleien, wenn man deutsche Touristen verprügelt, wenn der Redebeitrag eines Physikers von anderen internationalen Physikern boykottiert ist, weil er Deutscher ist oder wenn mich englische Hooligans bei nem Fussballfreundschaftsspiel zu Tode prügeln wollen, weil Ich als Deutscher ein Nazi-Sohn bin, dann ist das für mich ein Ballast, der ungerechtfertigt ist. Dazu gibs auch noch genug globalpolitische Ereignisse, die auf diesen Voruteilen beruhen. Als Deutscher darf man heute ja auch nicht die Kriegspolitik anderer anprangern, weil irgend nen Scheiß Österreicher damals der Meinung war, Obermacker zu spielen...

Und hier nochmal ganz deutlich: Ich bin NICHT dafür, dass Deutschland aufhört, die Nazizeit aufzuarbeiten oder sie gar runterredet. Ich bin sogar der Meinung, dass Deutschland durchaus die Pflicht hat, weiter daran zu erinnern und dagegen vorzugehen. Das ist für mich auch nicht der angesprochene Ballast.
ABER wenn Gruppen anderer Nationalitäten mich zu einem Menschen zweiter Klasse degradieren, weil Ich ein Deutscher bin, wenn selbst Akademiker niedergemacht werden, weil der Großonkel nen Nazi war oder wenn sich Deutschland idiotischen politischen Grundstimmungen beugen muss, weil vor 70 Jahren Leute scheiße gebaut haben, dann ist das für mich ein Ballast, der ungerechtfertigt ist und der 70 Jahre danach eben nichts mehr zu suchen hat!

das sind alle reaktionen auf die nazizeit, die nicht in ordnung sind. ABER: es sind eben reaktionen. die wurzel allen übels, bleibt die größte katastrophe der neueren menschheitsgeschichte. und es ist gerad einmal 70 jahre her. die reaktionen die du beschreibst kommen ja auch durch nationalismus zu stande. welch eine ironie...

So würde ich das auch sehen. Solche Anfeindungen entsehen, weil Menschen in "Völker" oder "Länder" unterteilt werden bzw. weil aus der Herkunft Unterschiede abgeleitet werden. Die Franzosen werden als "Froschfresser" beleidigt, die Engländer als "Tommys", die Griechen als "Pleitegriechen" und so weiter. Man kann sich natürlich drüber aufregen, dass man als Deutscher im Ausland viel zu oft mit der Nazi-Vergangenheit konfrontiert wird, aber alle Nationen haben irgendwelche unsachlichen Beleidigungen von anderen auszuhalten. Das Grundproblem liegt meiner Einschätzung nach eher darin, dass die Herkunft der Menschen viel zu hoch bewertet wird und dass Nationalstolz solche Sachen fördert.

Und genau das ist für mich aber Ballast. Wenn Ich für etwas, das nicht mal meine Großeltern erlebt haben, zu Tode geprügelt werden soll, dann ist das für mich eben ein Ballast, den Ich nicht verdiene. Weil so geschichtsbewusst Ich bin: Das hier ist die GEGENWART!

Ein Statement vom Campi zu dem Text, das in ne ähnliche Richtung geht...

Zitat

Ihr thematisiert das Verhältnis von Menschen zu Geschichte. Ist Geschichte Ballast oder Notwendigkeit?

Der Ballast der Republik ist der Versuch, ein Lebensgefühl in
Deutschland zu beschreiben. Ich habe das mit Marteria geschrieben, einem
HipHopper, der in Rostock großgeworden ist. Es war mir wichtig, dass
das nicht nur aus den Augen eines „Wessis“ geschrieben wurde. Sondern,
dass wir einen Konsens finden, wie es sich anfühlt, mit den Folgen der
bundesdeutschen Geschichte zu leben.

Gibt’s da eine Verbindung zu Walsers „Moralkeule Auschwitz“?

Ganz und gar nicht. Es ist kein Plädoyer dafür, sich von den Folgen der
Geschichte zu befreien. Ich halte es für sehr glücklich, dass wir ein
selbstkritisches Land sind und uns hinterfragen. Das wir auch für das,
was geschehen ist, Verantwortung übernehmen. Wir sind in diesem Punkt
lange nicht so arrogant wie die Siegermächte USA und England, die mit
einer Selbstgerechtigkeit in Kriege ziehen, die erschütternd ist.

Alles anzeigen

Womöglich kommt die Unsicherheit in Bezug auf den Sinn des Textes auch daher, dass Campino einfach nicht (mehr?) der große Lyriker ist, für den ihn offenbar manche halten. Hinter einigen Liedern auf dem neuen Album stecken durchaus relevante Themen, die aber einfach nicht auf sonderlich hohem Niveau in Worte umgesetzt wurden. Das führt dann schnell mal zu Unschärfe, wenn beim Texten der erst- oder zweitbeste Reim (sofern es mal Reime gibt) oder das erst- oder zweitbeste Wortspiel genommen werden, welche einem einfallen. Ich vermute, "Ballast der Republik" fällt genau in diese Kategorie - ein guter Kalauer (überspitzt gesagt).

Also ich verstehe den Text so, dass der Parasit die rechtsradikalen Gedanken sind, die in breiten Teilen der Bevölkerung latend vorhanden sind und genau auf dem beruhen, was in den Strophen angesprochen wird. Dass die Menschen sich ungerecht behandelt fühlen und immer wieder das "Deutsche sind böse" um die Ohren gehauen bekommen und auch heutzutage an der Politik verzweifeln. Hierdurch schleicht sich wieder der "Parasit" ein in das Volk, dass sie die Welt und die Politiker hassen und aus Frust NPD wählen...

@ Totenkopfgitarrist

Wo treibst Du dich den rum das Du verprügelt wirst weil Du deutscher bist?
Also da wo ich wohne kommen ab und an mal Mobs von stolzen deutschen auch bekannt als Faschos, die meinen Sie müssten die großen Macker makieren und
alle anderen einschüchtern.

Und zum Thema englische Hools die jagt auf deutsche machen (hattest Du ja mal angesprochen), da erinnere ich mich an ein Viideo aus einer Schlacht
"deutsche Hools" (sind hier ja überwiegend Nazis) und englischen Hools.
Die deutschen atten Stühle, Glasflaschen und Messer und die Engländer nicht waren aber trotzdem erfolgreich .
In England gibt es ja auch eine menge Hoolgruppen die hauptsächlich aus Nazis bestehen, aber auch Clubs wie West Ham die sich klar antifaschistisch positioniert haben ( keine Ahnung ob das immer noch so ist).

Darüber hinaus finde ich es schon lustig, dass sich hier viele über "uneindeutige" Aussagen beschweren. Was ist denn mit "Ülüsü" und "Sascha". Bei letzterem klärt sich die Aussage ja eindutig über die letzte Strophe auf, aber ich habe seinerzeit auch oft genug erlebt, dass die Radiosender wärend der Pfeif-Bridge ausgeblendet haben.
Heutzutage wird noch viel sensibler auf solche Songs reagiert, so ironisch der Text auch sein mag. Das trifft dann wohl auch genau die Aussage des Textes....

Naja.... trotzdem. Wenn i mir ne Meinung über ein Lied machen will, sollte ich mir zumindest mal die Lyrics durchlesen. Egal ob Radiosender se vollständig bringen oder net

Aber zurück zum Ballast der Republik. Ich hätte das so interpretiert, dass der Ballast bzw au der Parasit der Hass ist. Immerhin heißts ja au einmal "und alle scheiben hass, es ist der alte Parasit". Und der Hass zieht sich ja so gesehen auch durch die Passagen der Deutschen Geschichte. Einmal der Hass der Nazis (dem wir ja den verlorenen Krieg zu verdanken haben), dann dem Hass der Alliierten (die Amis sagten ja anfangs, Sie seinen gekommen, um Deutschland zu besetzten, nicht zu befreien, und auch Russland und Frankreich waren vlt net ganz so gut auf uns zu sprechen) was die im Lied angesprochenen Teilung Deutschlands verursachte und die letzte Hälfte.... nun ja. bis auf das "alle haben es so satt" und "alle schieben hass" wird hier mei Argumentation etwas dünn - aber es wird scho au gründe ham, dass Wutbürger neulich ja mal das "wort des Jahres" war
Is jetz natürlich nur mal meine Interpretation.

Eine bemerkenswerte Fülle von Interpretationen wird hier geboten. Ich habe die Beiträge schon mehrfach gelesen - und bin den Interpreten dankbar. Ich selbst habe das neue Liedgut der Hosen schon intensiv gehört, möchte aber noch etwas warten.. weiter hören.. bis ich mich an meine Interpretation wage.

Walter

Zum Song Europa

Ich persönlich finde es super das die Hosen diesen Song gemacht haben, weil Sie als große Band die Möglichkeit haben das Thema für viele Leute präsent zu machen.
Der Song lebt in meinen Augen von der traurigen Atmosphäre die er erzeugt und nicht von großartiger Lyric.

Damit meine ich das es zu dem Thema durchaus bessere Texte gibt,
Wichtig ist aber meiner Meinung nach nicht der Text, sondern die Message die dahinter steckt. Jede_r sollte sich bewusst sein das wir in der westlichen Welt verhältnismäßig absolut im Luxus leben, das jeden Tag Menschen wegen künstlich geschaffener Grenzen und aus wirtschaftlichen Interessen sterben.

Ich finde man merkt dem Song an das der Text der Band ein großes Anliegen war,
atmosphärisch ist der Song super und der Text ist gut.
Man muss auch bedenken das es auch nicht einfach ist so ein Thema in drei Minuten zu behandeln.

Das wäre jetzt erst mal mein kurzes Statement zu dem Thema, ich gehe da aber gerne zu einem späteren Zeitpunkt noch näher drauf ein.

Ich sehe das ähnlich wie Glückspirat 1989. Es ist wichtig, dass die Hosen dieses Thema angesprochen haben. Der Text ist eigentlich auch sehr gelungen. Es ging ihnen wohl nicht darum, das komplette Thema in seiner Komplexität zu erfassen, sondern eine einzelne Szene in kompletter Grausamkeit und Härte zu beschreiben. Den weiteren Zusammenhang muss man sich dann eben selbst denken, aber ich glaube, dass man so viel schon vorraussetzen darf. Wirklich interpretieren muss man den Song daher wohl nicht, man kann das Bild von der Problematik lediglich weiterspinnen.

Was mich auch noch interessieren würde: Wie interpretiert ihr "Alles hat seinen Grund" ? Hab mir da so ein paar Gedanken gemacht, aber was handfestes glaube ich noch nicht zu haben.