Es ging wieder los. Schon allein dieser Gedanke sorgte für Glückseligkeit. Es würde noch eine Weile dauern, aber zumindest gab es Tickets. In 3 - 2 - 1... [F5]!!!
Monate später keimte Corona wieder auf. Die Wellen nahmen wieder zu, wir alle waren uns bis zum Schluss nicht im Klaren darüber, ob die Tour stattfinden würde oder nicht. Ich selbst würde nur auf zwei Konzerte gehen. Düsseldorf, na klar, weil es das traditionelle Klassentreffen war und Berlin-Tempelhof... Naja, nicht weil ich es 2013 dort auch nur irgendwie genossen hatte, sondern einfach, weil es quasi direkt vor der Haustür lag.
Und dann verdichteten sich die Zeichen, dass die Tour starten würde. Andere Künstler und Künstlerinnen hatten bereits erfolgreich Konzerte gegeben, ohne dass diese Events zu großen Problemen führten, zumindest keine die großartig medial kommuniziert wurden. Und dann kam der Astra-Termin!
Nun war kein Halten mehr! Die beiden anderen Tickets hatten meine Vorfreude jetzt noch nicht ins Unermessliche gesteigert, aber Zurückkommen in einem Club, SO musste das aussehen. Ich mache diese Tour nur drei Konzerte.
Die Diskussionen um Corona sorgten nicht nur hier im Forum für erhitzte Gemüter. Für mich war klar, dass ich gehen würde, aber wie sieht der Schutz der eigenen Gesundheit aus? Diese Frage beschäftigte mich schon vorher und sie sollte mich bis zum Ende der Tour beschäftigen. Mich interessierte, wie andere das sahen. Ich nahm mir vor, Maske zu tragen.
Am Astra angekommen fühlte ich mich gleich wie zu Hause. Zahlreiche bekannte Gesichter, Bekannte und Freunde, von nah und fern und es wurde gefeiert! Maske tragen fühlte sich komplett falsch an, ich beschloss, das Risiko einzugehen und die Party maximalst zu genießen.
Ich war glücklich, so geschwitzt war ich schon sehr lange nicht mehr. Ich hatte endlich mein Hobby wieder, das, was wir alle mehrere Jahre schmerzlich vermissten, das, dessen Fehlen mir jeden Tag beim Verlassen der Wohnung durch ein noch immer an der Pinnwand hängendes, nie eingelöstes "Alles ohne Strom"-Ticket verdeutlicht wird. Bier, Schweiß, Party, neue Gesichter zu alten Bekannten - und vier Wochen Corona. Der Preis, den ich zahlte, um "die Party maximalst zu genießen". Ein Schuss, ein Treffer.
Ja, mir ging es verdammt scheiße. Doch das Problem, was ich erst hinterher erkannte, war, wie sehr ich meine Partnerin damit belastete, wie mein Hobby, mein eigener Spaß, sie vor Probleme stellte. Durch meine Isolation in der Wohnung, war sie gezwungen, den Haushalt zu übernehmen, die Katze zu versorgen, mich zu versorgen. Mein Egoismus tat mir plötzlich Leid.
Die Wochen vergingen, die PCR-Tests blieben positiv, wurden sogar zeitweise wieder noch kritischer und Düsseldorf kam näher. Ich hatte schon unser Die Ärzte-Konzert absagen müssen, eigentlich wollte ich Düsseldorf nicht auch noch missen. Düsseldorf kam näher und ich war noch immer positiv. Ich wurde nervös. Ich befragte meine Ärztin und sie sagte: "Gehen Sie raus, auch wenn sie positiv getestet werden, ansteckend sind Sie sicher nicht mehr." Diesen Rat ließ ich mir von zweiter Stelle bestätigen und damit war klar: Düsseldorf, ich komme! Und pünktlich 4 Stunden vor Anpfiff bekam ich dann tatsächlich auch den erlösenden PCR-negativ-Bescheid. Dennoch, ich hatte versprochen, nicht die dichteste Menge zu suchen und stand mit Freunden recht weit außen und mit FFP3 bewährt.
Düsseldorf 2 war die Wahrwerdung meines feuchten Jugendtraums. Wie oft hatte ich mir ausgemalt, beide Bands auf einer gemeinsamen Bühne zu sehen. Damals, 2013 hatte ich Tickets für alle drei Tempelhof-Tage (Freitag: DTH, Wochenende 2x DÄ). Damals hatte ich gehofft, dass es wahr würde und bekam drei beschissene Konzerte zum Dank. 2019 waren beide Bands beim NovaRock, auch da bin ich unter anderem wegen der kleinen Hoffnung hingefahren. Und dann erlebe ich das komplett unvorbereitet an diesem Tag. Noch jetzt, viele Monate nachher, freue ich mich über dieses musikalische Großereignis, noch heute schaue ich mir oft Youtube-Videos davon an. Allerdings habe ich ein Problem: Ich selbst kann mich irgendwie nicht gänzlich daran erinnern. Mein Hirn spielte in dem Moment verrückt. Ich schwankte zwischen "Ich muss das Filmen, ich muss das für die Nachwelt aufheben!", wie nahezu alle anderen, und "Bloß nicht dieses Ereignis durchs Handy anschauen, sondern vollständig, wahrhaftig, live genießen." Und durch diese Schwankung habe ich das Gefühl, beides nicht geschafft zu haben. Ich habe weder eine Aufnahme davon, noch eine Erinnerung, es zu einhundert Prozent durch meine eigenen Augen erlebt zu haben.
Die Tage vergingen, viele viele Tests mit negativem Ergebnis ebenfalls, als ich eines Morgens aufstand, und dachte: Heute ein Tag ohne Termin. Heute ein Tag auf der Couch. Und ich begann mich augenblicklich zu langweilen. Ich telefonierte kurz, ich sah meine Freundin an, sie sagte: "Na fahr doch." Zwei Stunden später saß ich in Leipzig mit Freunden auf dem Parkplatz, hielt mein Ticket zum halben Preis in der Hand, trank ein Bier und freute mich auf den Abend. Diese Tour mache ich nur vier Konzerte.
"Willi muss ins Heim" ist wohl mein absolutes Highlight der Tour, was die Songauswahl anbelangt. Aber generell, wie cool war denn bitte dieser letzte Block? Was da rausgehauen wurde, unfassbar!
Berlin-Tempelhof kam näher, und irgendwie hatte ich eigentlich keine so richtige Lust darauf. Im Vorfeld hatte ich ein paar Leute zu mir eingeladen, alle haben nach und nach abgesagt. Eine Argentinierin, seit 2018 ist da eine echte Freundschaft gewachsen, sagte wegen deren Inflation ab. Die Horde Polen wollte doch lieber Großstadtcamping machen. Nix mit internationalem Fantreffen. Schade eigentlich. Zwei Betten bekam ich dann aber noch los, es wurde ein netter Abend. Doch das ganze stand unter keinem guten Stern. Die Erinnerungen an 2013 und die verkorkste Vorgeschichte, all das machte wenig Mut. Noch schlimmer war dann die Nachricht des Todes eines Angehörigen meines Fankreises. Berlin war das nächste Konzert und so machten sich alle Bekannten und Freude auf, hier her zu kommen und gemeinsam zu trauern. Natürlich musste ich dabei sein, Location hin oder her. Es war traurig, doch der schönste Abschied, den man sich für ihn denken konnte. Mach's gut!
Insgesamt war die Stimmung in Berlin also eher gedrückt. So konnte, so wollte ich nicht die Tour beenden. Wer weiß, ob es eine weitere geben würde. So wollte ich nicht die Hosen-Zeit beenden. Es war klar, das Tourfinale musste her. Ich mache diese Tour nur fünf Konzerte.
Emotional war Minden wirklich das komplette Gegenteil wie Berlin. Die gleichen Leute, aber fröhlicher, ausgelassener. Wir saßen vorher und nachher lange zusammen, es hatte etwas von Abschied. Es wurde bis tief in die Nacht Gitarre gespielt und rumgegröhlt. Selbst ein Freund von mir, den ich eigentlich ein wenig gegen seinen Willen aus Berlin mitschleppte und den ich DTH-entjungferte, war am nächsten Tag auf der Heimreise erstaunt, wie toll die Community war, wie geil so ein Hosen-Konzert werden konnte. Alles richtig gemacht. Bis auf die billige Absteige in Hannover.
Und damit ging ich nach Hause. Wohlwissend, dass die Tour zu Ende war und hoffend, dass wir uns alle eines Tages wiedersehen würden.
Argentinien? Nein, dieses Mal nicht. Corona wütete dort und ich wollte nicht riskieren, dass ich bei den derzeitigen Flugkosten nach dem ersten Konzert mit Corona in der Quarantäne lag. Ich hatte fünf tolle Konzerte gesehen, eines anders als das andere. Alle dank konsequenter FFP3-Tragung unbeschadet überstanden, auch in den vordersten Reihen - wenn auch meistens etwas seitlich. Nein, dieses Mal nicht.
[hahaha, "Ihre Nachricht ist zu lang. Es stehen maximal 10.000 Zeichen zur Verfügung."]