Ist das noch Politik? Oder ist Politik einfach so?

  • Auch wenn ich ja sonst eher etwas libertärer unterwegs bin, finde ich übrigens auch, dass Krankenhäuser nicht in private Hände gehören. Zugang zu Health Care, und zwar den bestmöglichen, gehört absolut in den meiner Meinung nach eher bechränkten Aufgabenbereich des Staats, weil das eine Angelegenheit ist, dass der Markt per Definition gar nicht lösen KANN.

  • Aus meiner Sicht ist der Staat nur dazu da, Rahmenbedingungen zu schaffen, in dem sich ein Individuum fair und frei entfalten kann.

    100% Zustimmung. Aber genau an dem "fair" scheitert der Staat eben immer noch viel zu oft - vor allem auch im Vergleich mit skandinavischen Ländern. Inwiefern dies durch ein verpflichtendes FSJ erreicht wird, ist sicher fraglich. Ausschließen würde ich es aber nicht.

    Selbst wenn du den zukünftigen BWLer vor seiner Tätigkeit bei Goldmann Sachs zwingst, 10 Monate im Behindertenfahrdienst unterwegs zu sein, wird sich am Resultat wenig ändern, dass er seine Karten anders ausspielen kann als jemand aus der sogenannten bildungsfernen Schicht.

    Genau das würde ich, allerdings ohne empirische Studien zu kennen, bezweifeln. Vielleicht geht der BWLer auch gar nicht zu Goldmann Sachs sondern entscheidet sich nach dem Zivi für eine Ausbildung als Heilerziehungspfleger? Wäre auf jeden Fall nicht der Einzige, der dadurch mit einer Welt in Berührung kommt, die er ansonsten nie kennen gelernt hätte. War zumindest bei mir so mit dem gesamten Bereich "Menschen mit Behinderung" so.


    Es ist eben die Frage, ob der Grundrechtseingriff durch ein verpflichtendes Jahr mit Dienst an der Gesellschaft erforderlich und verhältnismäßig ist. Darüber können Juristinnen und Juristen sicherlich ewig streiten. Ich als juristischer Laie würde dies bejahen.


    Hier noch eine Hörempfehlung für alle, die wie ich, das Medium "Podcast" entdeckt haben. Der ( Podcast "Lage der Nation" behandelt das Thema ausführlich in Folge 105. Allgemein einer der besten Podcasts, wie ich finde, da stets fundiert und mit dem notwendigen juristischen Background.

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    Vielleicht geht der BWLer auch gar nicht zu Goldmann Sachs sondern entscheidet sich nach dem Zivi für eine Ausbildung als Heilerziehungspfleger? Wäre auf jeden Fall nicht der Einzige, der dadurch mit einer Welt in Berührung kommt, die er ansonsten nie kennen gelernt hätte. War zumindest bei mir so mit dem gesamten Bereich "Menschen mit Behinderung" so.

    Es ist aber nicht jeder für den Job geeignet.

    Ich arbeite in einer Einrichtung für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen.

    Die FSJler die in den letzten Jahren zu uns gekommen sind weil sie keinen Ausbildungsplatz im Bereich "Kaufmann/ Kauffrau" oder ähnlichem gefunden haben und sich dachten, ich mach dann mal was soziales, konnten wir am Ende des FSJs auch nur empfehlen sich wirklich was im Büro oder ähnlichem zu suchen. Da war keiner bei der sich am Ende als geeignet für den Beruf des HEPs empfahl.

    Es ist einfach nicht jedermanns Sache, so wie es auch nicht jedermanns Sache ist im Büro zu sitzen.

  • Natürlich ist das nicht jeder/ jede. Aber auch hier würde eine Verpflichtung dafür sorgen, dass eben nicht nur die kommen, die "nix besseres bekommen". Meine Erfahrung ist auch die, dass die Qualität der FSJler stark abgenommen hat und die hauptamtlichen Kräfte mit den aktuellen FSJ deutlich mehr Arbeit haben als mit den Zivis. Natürlich ist das sehr verallgemeinert und trifft nicht auf alle zu.


    Und wenn das Konzept breiter angelegt wäre, gäbe es auch mehr Einsatzmöglichkeiten. Auch für Menschen, die nicht für die "Arbeit am Menschen" geeignet.

  • Natürlich ist das nicht jeder/ jede. Aber auch hier würde eine Verpflichtung dafür sorgen, dass eben nicht nur die kommen, die "nix besseres bekommen".

    Aber was bringts denn, jemanden der in dieser Hinsicht null kompetent ist und nicht mit alten, kranken oder behinderten Menschen kann, dazu zu verpflichten, dort zu arbeiten?
    Dann lieber jemanden, "der nichts besseres bekommt", aber halbwegs damit umgehen kann, als jemand der diese Arbeit machen muss, aber am Ende mehr schadet (den Personen gegenüber), als dass es/er hilft.

    Wer keine Angst vorm Teufel hat, braucht auch keinen Gott!


    Nr. 5 lebt - wir sehen uns wo die eisernen Kreuze stehen...

  • Ich finde es grenzwertig, vielleicht sogar gefährlich, dass das Zwangsarbeitsverbot aus dem Grundgesetz wieder aufgeweicht werden soll. Vielleicht ist es ja gut gemeint, dass sich Menschen bei einem "Zivildienst" weiter entwickeln und viel für sich lernen können. Unter dem Strich bleibt es aber ein Zwangsdienst für den Staat und eigentlich soll das Grundgesetz den Bürger vor dem Staat schützen.

    Die Verfasser des Grundgesetztes haben viele Lehren aus dem Dritten Reich gezogen, neben der Gewaltenteilung z.B. die Gewährung von Asyl für politisch oder religös Verfolgte, weil im dritten Reich viele getötet oder verhaftet worden sind, weil sie keine Chance hatten irgendwo Asyl zu bekommen.


    Das jetzige Recht des Staates, seine Bürger für öffentliche Aufgaben Zwangszuverpflichten halte ich schon für sehr weitgehend. Zum Glück finden sich meist genug Bürger, die bereit sind, solch ein Eherenamt zu übernehmen, aber es gibt schon Gemeinden, wo Menschen verpflichtet worden sind, Dienst bei der freiwilligen Feuerwehr zu leisten. Nun, da geht es um das Gemeinwohl. Bei gewinnorientierten Kranken.- und Pfelgeeinrichtungen dürften vor allem die Kapitaleigner davon profitieren. das sind - anderes als früher - keine staatlichen oder städtischen Einrichtungen, sondern üblicher Weise Ausbeuterbetriebe, wobei ich die kirchlichen Einrichtungen da mit einbeziehe, weil diese auch nicht mehr in erster Linie dem Gemeinwohl verplichtet sind.


    Wer ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr oder Bundesfreiwilligendienst machen will, soll das tun, aber eine verpflichtung ist und bleibt Zwangsarbeit, die ich ablehne.

    Wie ähnlich schon gesagt: Wer zur Charakterschulung irgend einen Dienst braucht, soll ihn machen dürfen, aber schade, dass Eltern und Bildungssystem diese Aufgabe nicht ausreichend bewerkstelligen.

  • Ein soziales Jahr hat, nach meinen Vorstellungen, nichts mit Zwangsarbeit zu tun. Sondern ist im Bildungssektor angesiedelt. Praktisches Lernen im sozialen Bereich. Jeder kann sich da was mitnehmen. Andere Luft schnuppern... oder, ein Jahr Urlaub vom bisherigen Leben! Abenteuer im geschützten Rahmen. Ich hätte gerne diese Möglichkeit gehabt. Zu meiner Zeit war das aber noch nicht üblich. Auch nicht privat bezahlt. Da war es noch ein dicker Minuspunkt im Lebenslauf, wenn ein Jahr "verschwendet" wurde. Heute ist das anders, da zählt breitaufgestellte Lebenserfahrung. Nur können sich das nicht alle leisten. Das würde ich gerne ändern. Wer weiß denn schon mit 18 was er aus seinem Leben machen will? Mann könnte es auch ein Orientierungsjahr nennen.


    Aber für alle die gleiche Chance!

    Auf da Alm gibt´s ka Sünd!

    "… Nimm nichts mit, wir brauchen nichts. Lass alles hier und schmeiß es weg. All die Souvenirs, unsere Biographien.

    Alles lästiges Übergewicht… "

  • Gabumon: Dein Ohrentest würde mich noch interessieren. War der so schlecht, weil du bei den Konzerten immer zu nah an den Boxen standest? :S

    Auf da Alm gibt´s ka Sünd!

    "… Nimm nichts mit, wir brauchen nichts. Lass alles hier und schmeiß es weg. All die Souvenirs, unsere Biographien.

    Alles lästiges Übergewicht… "

  • Gabumon: Dein Ohrentest würde mich noch interessieren. War der so schlecht, weil du bei den Konzerten immer zu nah an den Boxen standest? :S

    Damals hatte ich erst 1 Konzert hinter mir.


    Ironisch, ich hatte damals auf dem rechten Ohr etwa 55% Hörstärke. Letztes Jahr waren es 49% da liegen aber mehr als 20 jahre zwischen. Und da sind 6% verlust sehr wenig. auf dem Linken Ohr sinds 90% zur Musterung war es 94%


    Pflichtfeuerwehr halte ich für was DEUTLICH anderes als Zwangsarbeit in Form von Zivildienst. Bei der Feuerwehr ist man nur zu Übungen und im zweifel im Einsatz. Da muss man nicht seinen Job für aufgeben.

    Es kommt die Zeit
    in der das Wasser wieder steigt...
    Es kommt die Zeit
    in der der Airport wieder brennt...

  • Mit die schwierigste Entscheidung im Leben ist meiner Meinung nach die Berufswahl. Ich arbeit als Einkäufer und bin gut in meinem Job, allerdings kann ich nicht beurteilen, ob ich in einem anderen Job nicht besser wäre, weil ich es nie probiert habe.


    Ich geben Hörnchen recht, denn nicht jeder ist für einen Beruf im sozialen Umfeld geeignet. Es ist allerdings auch nicht jeder für einen Job im Büro oder im Handwerk geeignet. Das Problem ist, dass man zuwenige Möglichkeiten hat es zu testen, wo man am besten aufgehoben ist.


    Ich habe während meiner Schulzeit ein Praktikum á 2 Wochen gemacht und das in der Firma in der mein Vater gearbeitet hat. Das ist als Grundlage für eine Berufswahl zu wenig.


    Also müsste man das System grundlegend ändern, nur wie?

    Narren sind bunt und nicht braun!

  • Bestimmt nicht mit einem Jahr zwangsarbeit irgendwo in einem Pflegeberuf damit sich der Konzern eine Vollzeitkraft sparen kann

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  • Verpflichtende Pratika in der Schulzeit zu unterschiedlichen Zeitpunkten am besten gekoppelt an bestimmte Bedingungen, die dafür sorgen, dass man unterschiedliche Bereiche kennenlernt, wären eine Maßnahme.

    Vernünftige Berufsberatung bei den Ämtern wäre auch sinnvoll, wobei das wohl stark vom Berater abhängig ist.
    Als ich seinerzeit bei der Berufsberatung war, beschränkte sich das Ganze eigentlich darauf, dass ich gefragt wurde, was ich mir bisher so gedacht hab bzw. ich schon Bewerbungen geschrieben hätte und dem anschließenden Ausdrucken mehrerer Stellenanzeigen in einem vergleichbaren Bereich (sehr eng gesteckt).
    Da wurde aber null eruiert, warum meine Vorstellung ist wie sie ist, oder wo Interessen liegen, die eventuell mit bestimmten Berufsbildern zusammenpassen.
    Eine Beratung im eigentlichen Sinne hat also nicht stattgefunden.

    Im Endeffekt bin ich dann also ziemlich zufällig in den Beruf gerutscht, den ich ausübe. Hätte schlimmer kommen können, aber vielleicht auch besser. Wer weiß.

    Es hat sich vieles getan, auf Dosenbier gibt es jetzt Pfand,
    aber die meisten von uns leben noch, das war nicht immer so geplant.
    (Koyaanisqatsi)

  • Ich weiß dass in Bayern diese Berufsberatung ziemlich aufgebohrt wurde. Die Woche Praktika die die Gymnasiasten machen ist aber meines Erachtens nicht hilfreich, ist eher eine Aufgabe für Elternnetzwerke nach dem Motto: "kannst du meinen Lümmel ne Woche betreuen?". Das müsste besser politisch unterstützt werden.

    Und dann diese ganzen Gänge zur Berufsberatung, das ist nach wie vor offenbar völlig an der Lebenswelt vorbei. Da werden dann Tests gemacht und dann kommt sowas raus wie "Du eignest dich als Busfahrer, Polizist oder Atomphysiker".

    Wir brauchen eigentlich eine viel stärkere Veränderung unserer Denkweise über den Lebensablauf. Diese Einteilung in drei Phasen: Lernen, Arbeiten, Rente, finde ich völlig 19. Jahrhundert. Lebenslange Beschäftigung bei einem Arbeitgeber, in ähnlicher Funktion jahrelang, die damit einhergehende Entfremdung Arbeit/Leben, ist doch völlig durch. Dadurch dass sich ständig so viel verändert sollte allen die Möglichkeit gegeben werden darauf reagieren zu können. Job unterbrechen für wirkungsvolle Fortbildung, andere Arbeitszeitmodelle als diese 40-Stunden-Maloche, Fortbeschäftigung auch nach Renteneintrittsalter in geringerem Ausmaß, sofern man will und kann. Vielleicht wäre da eine Art Bedingungsloses Grundeinkommen sinnvoll. Auch um der Ausbeutung von Arbeitenden vorzubeugen.

    A fallen wall becomes a bridge to connect us rather than divide. (Zeb Love)

  • Die Woche Praktika die die Gymnasiasten machen ist aber meines Erachtens nicht hilfreich, ist eher eine Aufgabe für Elternnetzwerke nach dem Motto: "kannst du meinen Lümmel ne Woche betreuen?".

    Das war bei mir mit unter den "Rahmenbedingungen", die es bräuchte, gemeint.

    Auf die von dir beschriebene Art lief es bei mir auch und das hat in der Tat absolut nichts gebracht.

    Es hat sich vieles getan, auf Dosenbier gibt es jetzt Pfand,
    aber die meisten von uns leben noch, das war nicht immer so geplant.
    (Koyaanisqatsi)

  • Die meisten unterschiedlichen Erfahrungen habe ich in den Jobs gemacht, die ich neben dem Studium hatte.

    Von der Autovermietung über eine Softwarfirma, Messebau, Handwerk, Müllsortierung bis hin zu einer Versicherung habe ich ausprobiert. Da habe ich meinen ursprünglich ausgelernten Job zu schätzen gelernt, in dem ich nun heute auch noch arbeite. Geld ist nicht alles, Arbeitsplatzzufriedenheit ist eine Menge wert.
    Meine aller erste Berufswahl war aber auch nicht wirklich gut für mich und erst mit 22 habe ich mich zu einer Ausbildung in meinem jetzigen Beruf entschieden.

    Die Praktika an Schulen sind nur so gut, wie sie ausgewählt und betreut werden. Wo man Praktikum macht, sucht man sich mit 14 oder 15 doch selten selber aus. Ich habe mich damals auch nur ein einen Schulfreund dran gehängt.
    Die meisten 15jährigen Praktikanten waren auch noch nicht reif genug, um sich selbstständig Gedanken über ihre Zukunft zu machen.

    ...aber was sollen meine Eltern sagen, die mit 14 die Lehre angefangen haben.

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